Ein gutes Herz (German Edition)
ihm zurückkehren würde. Die Verhaftung habe ihre Zweifel hinsichtlich ihrer Beziehung in Gewissheit umschlagen lassen: Sie müsse weg von ihm, sie gehe bei ihm zugrunde.
Kohn hätte sie finden können, wenn er gewollt hätte. Es war ja durchaus verständlich, dass sie ihn verlassen hatte. Er musste den Schmerz wegstecken und von nun an mit der Wunde durchs Leben gehen, die sie ihm zugefügt hatte. Bram Moszkowicz machte einen Deal mit der Justiz, und Kohn verließ die Niederlande. In Las Vegas trank, hurte und kokste er sich ein Jahr lang halb um den Verstand, bis er eines Morgens um halb sechs stoned und betrunken vom dritten Deck eines Parkhauses stürzte und sich die Schulter brach, die ein paar Jahre zuvor in der Notaufnahme des Amsterdamer Universitätskrankenhauses von Sonja behandelt worden war. Eine üppige, mannshohe Bougainvillea mit tiefroten Blüten fing seinen Sturz ab. Er krempelte sein Leben um. Er kaufte ein Unternehmen, das Bars und Stripclubs bewirtschaftete, und erwarb damit das E2 -Visum für Investoren. Vorbestraft war er ja nicht. Bei der überfallartigen Festnahme in seinem Haus an der Keizersgracht hatte man keinerlei Hinweise auf Betrug, Drogenschmuggel, die Verwicklung in Morde oder sonstige Verbrechen gefunden. Moszkowicz konnte sogar Schadensersatz für die Untersuchungshaft in Amsterdam erwirken. Ihm selbst brachte das zwar nicht mehr als ein Taschengeld ein, aber Moszkowicz nutzte nur zu gern diese Gelegenheit, die Staatsanwaltschaft zu demütigen.
Kohns Leben in den Niederlanden war beendet, zumindest das sichtbare, denn mittels einer Schachtelstruktur war er nach wie vor Eigentümer von Häusern in der Leidsestraat und an der Keizersgracht. Diese wurden von einem Maklerbüro verwaltet, und eine Amsterdamer G mb H führte ganz vorschriftsmäßig Steuern dafür ab. Die Gewinne flossen an eine weitere G mb H in Luxemburg, die von einem Treuhänder verwaltet wurde. Daran war nichts Ungesetzliches, die G mb H war legal, die Konten waren keine geheimen Nummernkonten, sondern ganz normale Geschäftskonten. Hauptanteile an der luxemburgischen G mb H hatte wiederum eine Gesellschaft, die auf den Cayman Islands beheimatet war, der Insel mit den günstigsten Steuergesetzen.
Max Kohns Vermögen belief sich auf zwanzig Millionen Euro. Die Hälfte davon war in Immobilien angelegt, die andere Hälfte in Gold, Ölgesellschaften, Rohstoffen, Apple-Anteilen, Biotech-Unternehmen. Das Geld für seinen Lebensunterhalt ließ er auf eines seiner Konten in den amerikanischen Bundesstaaten überweisen, die keine Einkommenssteuer erhoben, und seine laufenden Ausgaben bestritt er per Kreditkarte.
Bis er nach Amerika gegangen war, hatte er immer mit Bargeld gelebt, da er damals Einkommensquellen hatte, die durch und durch illegal waren. Manchmal ging es dabei um sehr viel Geld. Er mied den Handel mit harten Drogen. Haschisch und Marihuana waren seine Spezialität. Er war kreativ. Er ging keine Risiken ein. Er sorgte dafür, dass er die Sache von A bis Z unter Kontrolle hatte. In den Niederlanden wollten alle kiffen und stoned werden, und er als guter Geschäftsmann befriedigte diese Nachfrage mühelos.
Als er die erste Marihuana-Lieferung ins Land schmuggeln ließ, mit der Finanzspritze von einem Freund, der gerade seinen Durchbruch als Schriftsteller feierte und seine ersten Tantiemen »arbeiten lassen« wollte, war Max Kohn noch Student der Politikwissenschaft. Die zweihundert Kilo gelangten problemlos über die Grenze. Er organisierte eine zweite Lieferung, und dann noch eine und noch eine. Von 1982 bis 1998 hatte er zwei bis drei Importe pro Quartal, mit einem jeweiligen Nettogewinn von dreihunderttausend Gulden. Steuerfrei – und das war auch nötig, denn er gab das Geld mit beiden Händen aus.
Sein Handel blieb der Justiz komplett verborgen. Hin und wieder fuhr Kohn mit seinem Jaguar XJS , der auf seine Mutter angemeldet war (sie wusste, dass der Sportwagen mit Schwarzgeld gekauft worden war, hatte aber nach einer Kindheit in bitterer Armut keine moralischen Bedenken), nach Luxemburg, um das überschüssige Bargeld auf ein Nummernkonto einzuzahlen. All das änderte sich, als er Sonja begegnete.
Sie war siebenundzwanzig, als er sie in der Notaufnahme der Amsterdamer Uniklinik kennenlernte. Er hatte Schussverletzungen in Handgelenk und Schulter und blutete wie ein Schwein. Sie trat professionell distanziert auf, aber er war davon überzeugt, dass ihr verhaltener Augenaufschlag nur darauf
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