Ein gutes Herz (German Edition)
einmal zu wählen. Sie hatten sich nicht mehr gesprochen, seit 2001 die Spezialeinheit der Polizei ihr Haus an der Keizersgracht gestürmt und sie festgenommen hatte. Sie lagen nackt im Bett und wurden von den Polizisten, die sie wach rüttelten, wie Tiere behandelt. Sie waren spät nach Hause gekommen. Hatten guten Wein getrunken und waren die letzten Gäste gewesen, die das ›Le Garage‹ verließen. Sie hatten Sex gehabt, wie er ihn nur mit ihr kannte. Sonja setzte sich gegen die Polizisten zur Wehr, biss und schlug um sich, er selbst ergab sich den dunkelblau gekleideten Männern gleich und brüllte ihr zu, dass es keinen Sinn habe, sich zu sträuben, und sie ihre Kräfte lieber schonen solle. Aber das war nichts für Sonja. Nackt, wie sie war, leistete sie Widerstand. Die Polizisten brachte ihr Anblick in Verlegenheit, das merkte man, obwohl sie Sturmhauben übergezogen hatten, die ihre Gesichter verbargen. Sie waren darauf trainiert, kräftige, tätowierte Männer zu überwältigen, und konnten einen zugekoksten Chinesen entwaffnen und bezwingen. Aber eine nackte Frau mit einem Körper, wie sie ihn höchstens einmal im Playboy gesehen hatten? Sonja hielt sich die Männer eine halbe Minute lang vom Leib, bis sie sie dann doch niederzwangen. Kohn lag bereits mit auf den Rücken gefesselten Händen am Boden. Warum hatten sie in jener Nacht die Alarmanlage nicht eingeschaltet? Sie waren nachlässig geworden. Er war glücklich und wähnte sich sicher. Warum hatte er sich das eingebildet?
Kohn verbrachte zwei Wochen in isolierter Untersuchungshaft. Keine Zeitungen, kein Radio oder Fernsehen, keine Bücher. Moszkowicz sprach er täglich. Was konnte man ihm zur Last legen? Kichie hatte alles erledigt und ihn nicht informiert. Er hatte recht gehabt mit seiner Warnung, dass Kohn auf keinen Fall mit dem Racheakt in Verbindung gebracht werden dürfe. Und der war unvermeidlich gewesen, denn wer keine Rache übte, hatte ausgespielt. Ein Mordversuch musste mit Mord vergolten werden. Das war eine der perversen Seiten des Business, die Kohn immer gemieden hatte. Nie zuvor war ihm etwas passiert. Drohungen hatte es schon gegeben. Unzählige. Aber wenn es Probleme gab, schickte er Kichie. Dies war das erste Mal gewesen, dass man auf ihn geschossen hatte. Jemand hatte ihn umbringen wollen.
Kichie hielt alles vor ihm geheim. Das war so abgemacht gewesen. Nie hätte Kohn damit gerechnet, dass der Auftraggeber der beiden Jugos, die auf ihn geschossen hatten, zu seinem Bekanntenkreis gehören könnte. Türkische Importeure vielleicht. Marokkaner. Antillianer. Ironie des Schicksals: Wenn nicht auf ihn geschossen worden wäre, hätte er in jener Nacht in der Notaufnahme der Uniklinik nicht Sonja kennengelernt. Die Kugeln führten ihn zu Sonja. Und sie entfernten Sonja von ihm.
Kohn kannte ihren Vater, Harry Verstraete. Ein großer Makler. Aber er wurde in der Stadt auch mit richtig schweren Jungs gesehen, Typen aus ganz anderen Kreisen als denen, in denen Kohn sich bewegte. Kohn war in der Logistik tätig. Er tüftelte Schmuggelwege aus. Ohne Waffen. Ohne Gewalt. Ware, mit der sorgfältig umgegangen werden musste und auf die keine Einfuhrzölle und keine Mehrwertsteuer erhoben wurden. Er bestach Zollbeamte. Schloss Deals mit Schiffskapitänen, Steuermännern, Hafenmeistern und Polizisten. In seinen besten Jahren traf fast jeden Monat ein Container in Rotterdam ein. Und das ganze Bargeld musste gewaschen werden. Oder verprasst.
Einige Monate, bevor er Sonja kennenlernen sollte, hatte Kohn einen Deal mit Harry Verstraete gemacht. Harry sollte mittels einer größeren Anzahl von Wohnungen in Amsterdam-West Geld waschen. Es handelte sich um eine trickreiche Konstruktion mit Laufjungen und Handlangern. Doch Harry führte ihn hinters Licht. Die Hälfte eines ganzen Wohnungsblocks am Ende der Jan van Galenstraat – damals konnte man so etwas noch kaufen – wurde, wie sich wenige Wochen später herausstellte, als Kohn die Papiere zu sehen bekam, gar nicht auf den Namen der neuen GmbH überschrieben, auf die Kohn über andere GmbHs Zugriff hatte. Verstraete hatte ihn betrogen. Ohne Grund. Kohn hatte viel Bargeld, das er waschen lassen wollte, und darin war Verstraete Spezialist. Aber er glaubte, Kohn über den Tisch ziehen zu können, wohl wissend, dass der nicht zur Polizei gehen oder ihn verklagen würde.
Kohn war mit einem Louis-Vuitton-Timer bewaffnet in sein Büro marschiert – von Kichie begleitet, dessen Sakko nicht verhüllte,
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