Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
noch eine andere Erklärung für seinen Wandel geben – und Phyllis wollte von Estella mehr darüber erfahren.
»Können wir uns ein bisschen unterhalten? Ich verspreche, dich nicht zu sehr anzustrengen«, sagte sie lächelnd.
29
D u willst uns doch nicht etwa verlassen, Estella?«, begann Phyllis das Gespräch.
»Verlassen? Wie kommst du darauf?«
»Als du sagtest, du willst heute Abend mit uns reden, dachten alle, du wolltest fortgehen.«
»Wirklich?« Estella hatte nicht damit gerechnet, dass die anderen diesen Schluss ziehen würden. »Ich habe nicht vor zu gehen, es sei denn ...«
»Es sei denn?«
»Es sei denn, ich werde hier nicht mehr gebraucht oder bin nicht mehr erwünscht.« Wenn die anderen erfuhren, dass Estella sie getäuscht hatte, war vielleicht damit zu rechnen.
»Ich nehme an, Barney, Marjorie, Frances und die anderen dachten eher, dass man nach einer solchen Erfahrung, wie du sie hinter dir hast, sein Leben neu überdenkt.« Phyllis ließ den Satz wie eine Frage im Raum stehen.
»Eine solche Erfahrung lehrt dich zu schätzen, was du besitzt«, erwiderte Estella, »und das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.« Statt darüber nachzugrübeln, was man verloren hat, fügte sie in Gedanken hinzu, denn genau das hatte sie getan.
»Das hat Murphy auch gesagt.«
»Wirklich?«
»Er hat mir gerade erklärt, dass er sein Leben ändern will. Was meint er wohl damit?«
Jetzt begriff Estella, warum Phyllis zu ihr gekommen war.»Ich weiß es nicht, aber er war dem Tod sehr nahe ...« Allein der Gedanke daran ließ sie schaudern. »Und das hat ihn sicher tief berührt.« Estella fühlte, dass etwas sehr Machtvolles zwischen ihnen entstanden war, wusste aber nicht genau, um was es sich handelte. Es schien natürlich, dass sie sich menschlich näher gekommen waren – doch sie spürte, dass noch etwas anderes dahinter stand.
»Ihr müsst dort draußen sehr vertraut miteinander geworden sein.« Phyllis suchte in Estellas grünen Augen nach einer Antwort.
Die ließ sich nicht gern auf solche Art ausfragen. Aus irgendeinem Grund wollte Estella ihre Erfahrungen weder mit Phyllis noch mit sonst jemandem teilen. »Murphy und ich waren die ganze Zeit damit beschäftigt, Möglichkeiten zu suchen, wie wir überleben können«, erwiderte sie.
»Das muss schrecklich für dich gewesen sein. Ich hätte das bestimmt nicht durchgehalten. Habt ihr euch ein Lager gebaut?«
Estella ahnte, wohin das Gespräch führen sollte: Phyllis wollte intime Details erfahren. Doch Estella war entschlossen, ihr diesen Gefallen nicht zu tun. »Ist Murphy im Moment allein?«, fragte sie stattdessen.
Phyllis war sichtlich verärgert über den plötzlichen Themenwechsel. »Als ich vor einer Minute aus seinem Zimmer ging, war er’s.«
»Ich muss dringend mit ihm reden. Würde es dir etwas ausmachen, Phyllis?«
Estella wirkte besorgt – was Phyllis noch neugieriger machte. »Natürlich nicht.«
»Vielen Dank. Und du brauchst nicht auf mich zu warten. Wir sehen uns dann später im Hotel.«
Phyllis lächelte freundlich, doch insgeheim enttäuscht, weil sie ihr Ziel nicht erreicht hatte: Sie war nicht klüger geworden, was Murphys Pläne betraf, sein Leben zu ändern.Murphy schlief, als Estella sein Zimmer betrat. Sie war enttäuscht, wollte ihn aber nicht wecken, weil er sehr erschöpft aussah. Er hatte den ganzen Tag Besucher gehabt und keinen Schlaf gefunden. Estella beschloss, gleich nach der Versammlung zum Krankenhaus zu gehen und ihm alles zu erzählen, bevor jemand anders es tat. Als sie bei Dan hereinschaute, war dieser gerade mit zwei Aborigines beschäftigt. Einer hatte sich offensichtlich den Magen verdorben, der andere schien bei einem Streit mehrere Stichwunden davongetragen zu haben, die offenbar von einem Speer stammten. Estella erkannte, dass der Verletzte Budjita war – der Mann, der am Tag ihrer Ankunft plötzlich im Krankenhaus in ihrem Zimmer erschienen war. Er hatte sich mit einem anderen Mann um eine Frau gestritten. Betty ging Dan zur Hand, ebenso Kylie, die müde wirkte, sich aber sehr freute, Estella zu sehen. Diese tröstete sich mit dem Gedanken, dass die Lage sich ein wenig beruhigt haben würde, wenn sie später wiederkam, um mit Murphy zu sprechen.
Als Charlie zum Hotel zurückkam, wartete Marty in der Bar auf ihn. »Die Nachricht von der Versammlung hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Sogar ein paar Farmer sind auf dem Weg in die Stadt«, meinte er.
»Was für eine Versammlung?«, fragte
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