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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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begegnet. Aber Sie haben ihr Bild ja gesehen.»
    Erneute Verlegenheit ließ ihn stocken, und mit einer gewissen Resignation fügte er hinzu: «Entschuldigen Sie. Ich rede wie ein Schuljunge.»
    Doch Mrs. Harris war nicht gesonnen, sich damit zufriedenzugeben. Nun, da der Damm gebrochen war, glaubte sie sich berechtigt weiterzufragen: «Was ist passiert? Warum haben Sie sie nicht geheiratet?»
    Lockwoods Kinn ruhte auf seiner Brust, und er richtete den Blick auf die Vergangenheit. Seine Erwiderung bestand in einem einzigen Wort: «Rußland», sagte er, so als seien damit alle Fragen beantwortet. Doch als er sah, daß seine Zuhörerin immer noch auf weitere Einzelheiten erpicht war und er nun nicht mehr gut zurück konnte, sprach er weiter. «Sie hassen Ausländer und verbieten ihren Leuten, einen Ausländer zu heiraten oder das Land zu verlassen. Wir hatten noch Glück, daß wir die Sache geheimhalten konnten, und dann mußte ich abreisen. Wären sie dahintergekommen, dann hätten sie...» Er begriff, daß seine mysteriösen Andeutungen weder ihm noch seiner Zuhörerin etwas nützten, und so gab er eine chronologische Wiedergabe der Ereignisse.
    Sie hatten sich — gleich zu Beginn von Lockwoods Studienreise durch Rußland — kennengelernt, sich ineinander verliebt und einander Treue geschworen. Moskau war die erste Station der Reise gewesen, bevor die Fahrt ins Landesinnere auf der von Intourist festgelegten Reiseroute weiterging, die Lockwood jedoch hier und da nicht einzuhalten gedachte, da er sich das Material für das von seinem Verlag gewünschte Buch Rußland ohne Maske beschaffen wollte.
    Sie hatten das außerordentliche Glück gehabt, daß ihre Romanze während seines dreiwöchigen Aufenthalts in Rußlands Hauptstadt nicht entdeckt worden war. Vorsichtige Erkundigungen — so als brauchte er diese Auskunft aus beruflichen Gründen — wieweit es einer Sowjetbürgerin möglich sei, einen Ausländer zu heiraten, ergaben, daß dem schier unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstanden. Eine solche Eheschließung konnte nur nach Überwindung endloser bürokratischer Hürden und ausgeklügelter Hindernisse erfolgen, und selbst dann gab es keine Garantie dafür, daß die Ehefrau oder der Ehemann, je nachdem wer von beiden nun Sowjetbürger war, das Land anschließend auch verlassen durfte. Die Aussichten waren nicht gut, doch die beiden besaßen den Mut und die Hartnäckigkeit zweier Liebender und kamen überein, daß Lockwood zunächst die geplante Reise hinter sich bringen sollte, die ihn weit nach Osten bis nach Serow und noch weiter bis an den Amur nahe der chinesischen Grenze führen würde, und im Süden bis nach Taschkent und Samarkand sowie in die russischen Badeorte am Schwarzen Meer. Sobald er wieder in Moskau war, wollten sie sich in aller Stille daranmachen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit sie heiraten konnten und Liz die Ausreiseerlaubnis nach England bekam.
    Da Lockwood sowohl im Foreign Office in London als auch in der Britischen Botschaft in Moskau Freunde hatte, hielten die beiden Liebenden ihr Vorhaben nicht für ganz aussichtslos. Leider stellte das geplante Buch unter Umständen ebenfalls eine Gefahr dar, doch damit wollte Lockwood das junge Mädchen nicht belasten. Er hatte alles gründlich überlegt und erwartete nicht, daß irgend etwas schiefging. Sie hatten verabredet, daß sie sich während seiner Abwesenheit nicht miteinander in Verbindung setzen wollten und daß Lisaweta bis dahin englischen Touristen die Sehenswürdigkeiten von Moskau zeigen sollte. Lockwood hatte vor, in etwa drei Monaten wieder in Moskau zu sein. Dann sollte ein gemeinsamer Freund sie einander vorstellen, und sie würden so tun, als träfen sie sich zum erstenmal. Danach wollten sie ihre Beziehung nicht mehr geheimhalten und versuchen zu heiraten.
    Während er ihr mit niedergeschlagener, eintöniger Stimme eine knappe Übersicht über seine Begegnung mit dem Mädchen gab, versuchte Mrs. Harris ihm mit ihrem flinken Verstand zu folgen und etwas zu von dem, was er ihr erzählte, oder sich jedenfalls ein Bild davon zu machen, doch der einzige Anhaltspunkt, den sie hatte, war das Foto mit der abweisenden Mauer und dem Turm dahinter. Immerhin gewann sie den Eindruck, daß das Leben hinter dem Eisernen Vorhang wohl doch nicht so rosig war, wie es oft geschildert wurde. Auch war sie alt genug, um zu wissen, wieviel von sogenannten umsichtigen Plänen und so weiter zu halten war, und Lockwoods

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