Ein Kuss von dir
Das Problem mit der tadellosen Haltung war, dass die Leute, und sogar die Tiere, irgendwann damit anfingen, sie von einem zu erwarten. Eleanor fügte sich dem Unvermeidlichen und setzte sich. Lizzie legte sich sofort auf ihre Füße. Der Lakai kam mit dem Kerzenhalter. Bridgeport reichte ihr die Stickarbeit, verbeugte sich und verschwand diskret.
Eleanor starrte die Handarbeit auf ihrem Schoß an. Es war ein Kissenbezug für einen Stuhl auf Magnus Hall in Suffolk. Sie hatte vier davon gestickt. Sie hatte noch zwölf weitere zu machen, doch zurzeit war ihr egal, ob nur ein einziger davon fertig wurde.
Sosehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es nicht, Remingtons Bild fortzuschieben, das ihr beständig vor Augen tanzte. Seine triumphierende Miene, als er sie nach der Trauung geküsst hatte. Der ungläubige Gesichtsausdruck, als ihre Stiefmutter ihm Eleanors Hinterlist enthüllt hatte. Und seine Verachtung, als er die Wahrheit begriffen hatte. Er hatte keine Duchess geheiratet. Er hatte ein Nichts geheiratet, all seine schönen Worte, dass er sie wollte, nur sie, hatten sich als schamlose Lügen erwiesen.
Ja, auch er hatte gelogen. Er war so schuldig, wie sie es war.
Aber andererseits hatte sie gewusst, dass er log. Nur im hintersten Winkel ihres Hirns hatte sie zu träumen gewagt, dass er sie wirklich wollte.
Nicht, dass er sie liebte. So zuversichtlich war sie nicht gewesen. Aber dass er sie wollte.
»Hören Sie auf, sich in Sorgen zu ergehen«, empfahl Lady Gertrude. »Sie machen sich damit nur krank, und das hilft bestimmt nicht. Mr. Knight ist ein Mann, und Männer sind schlichte Kreaturen. Sobald er eintrifft, begrüßen Sie ihn und lächeln und flirten. Es dauert nicht lang, dann hat er sich beruhigt.«
Eleanor senkte die Nadel in den Stoff. »Verzeihen Sie mir, Mylady, ich möchte nicht grausam sein, aber haben Sie das bei Ihrem Ehemann nicht ebenso getan?«
Erstaunlicherweise schien Lady Gertrude nicht im Geringsten gekränkt zu sein. Sie wirkte eher nachdenklich. »Der Mann macht den Unterschied. Manche Männer sind verderbt bis ins Mark, abscheuliche Schurken, die keine Frau beschwichtigen oder zufrieden stellen könnte. Mein Ehemann, zum Beispiel. Mr. Knight jedoch ist anders. Er ist nicht etwa nett . Merken Sie sich das, ich würde Ihnen nie erzählen, dass er nett sei. Aber er hat einen ehrenwerten Kern. Ich weiß nicht, warum er Madeline so unbedingt heiraten wollte, aber ich sage auch jetzt noch, nach diesem herben Schock, dass die Verbindung zwischen Ihnen klappen wird.«
Der Hund sprang auf und kläffte wütend die Tür an. Lady Gertrude wies mit großer Geste auf die Tür und sagte: »Jetzt höre ich jemanden. Kann es sein, dass es sich um Mr. Knight handelt?«
»Nein, das kann es verflucht nicht sein.« Der Duke of Magnus stampfte herein, ein exorbitantes Stirnrunzeln auf dem backenbärtigen Gesicht.
Bridgeport folgte ihm hilflos und indigniert. Er schlängelte sich an Magnus vorbei zu Eleanor und murmelte: »Verzeihen Sie, Madam. Er ist losgestürmt, bevor ich ihn ankündigen konnte.«
Sie tätschelte erst seinen Arm und dann Lizzie, die die Nackenhaare sträubte. »Machen Sie sich keine Gedanken. Magnus benimmt sich, wie es ihm gefällt.« Sogar dann noch, wenn er es hätte besser wissen müssen.
»Guten Abend, Magnus«, sagte Lady Gertrude. »Wurde langsam Zeit, dass du kommst.«
Die Brauen irritiert zusammenziehend, antwortete Magnus: »Ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Gleich, nachdem ich gehört habe, dass Knight und Madeline heute heiraten.«
Eleanor sah ihn verwirrt an. »Aber … aber …«
»Wo steckt dieser Bastard? Wo ist er?« Magnus schaute sich um. »Eleanor, Gertrude, schön, euch zu sehen und all der Krampf, aber wo ist Maddie? Und wo ist dieser Lump, der meine Tochter in so unanständiger Eile heiratet?«
Eleanor machte ein finsteres Gesicht. »Sie sollten eigentlich wissen, wo Madeline ist. Sie ist bei Mr. Rumbelow.«
»Was macht sie denn da?«, schrie Magnus. »Zwielichtiger Kerl, dem man nicht trauen kann.«
»Oh, du meine Güte.« Eleanor sank das Herz. »Als sie von dem Kartenturnier gehört hat, hat sie sich entschlossen, hinzufahren und Sie daran zu hindern, die Tiara der Königin zu verspielen.«
»Das wusste ich nicht«, sagte Lady Gertrude.
»Weil es nicht stimmt.« Magnus schüttelte den Kopf, als hätte er nicht richtig gehört. »Ich war nicht bei dieser Kartenpartie. Die ganze Sache stinkt doch zum Himmel. Selbst wenn ich hingefahren
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