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Ein Lied über der Stadt

Ein Lied über der Stadt

Titel: Ein Lied über der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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gegenübertreten sollte. Er hatte sich bestimmt alle Mühe gegeben, sie nicht zu bedrängen und sich ganz so zu geben wie immer, aber es war eben doch auf einmal anders. Luise lehnte sich an die harte Rückwand, sah aus dem Fenster und zog in leicht übertriebener, komischer Verzweiflung die Augenbrauen hoch. Sie war eben genau das Gegenteil von Elisabeth. Sie wollte einfach nicht, dass man sich in sie verliebte. Das, sagte sie im Geiste und übertrieb den Tonfalls ihres Vaters, kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Da musste sie dann leise über sich selbst lachen.

    Luise hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie viele Menschen die Flugschau anzog. Sie war noch nie in Würzburg gewesen, und als sie aus dem Bahnhof trat, um sich zu orientieren, sah sie schon, wie die Massen zur Straßenbahn strömten. Das Flugfeld lag auf dem Galgenberg, wie auf ihrem Eintrittsbillett stand. Zur Sicherheit fragte sie einen Passanten nach dem Weg, aber der winkte nur lässig mit dem Arm in die Richtung der Menschenmenge und sagte: »Denen immer hinterher, Fräulein, dann finden Sie schon hin.«
    Luise löste eine Karte für die Tram und drängte sich in den Wagen. Es war noch ziemlich früh am Vormittag, und als sie aufs Oberdeck gekommen war, konnte sie im Vorüberfahren einen Blick auf die alten Straßen der Stadt und auf die Festung Marienberg werfen, die hoch und eindrucksvoll über der Stadt lag. Trotzdem – es hatte alles etwas Verstaubtes, Altmodisches und trotz der pompösen Größe etwas Müdes an sich. Heute war die Zeit der Motoren und elektrischen Straßenbahnen, der Autos und der Flugzeuge. Eine neue Zeit, dachte Luise, eine neue Zeit. Auf einmal war sie ein wenig aufgeregt. Über sich hörte sie ein bekanntes Geräusch und sah nach oben. Ziemlich niedrig flogen da drei Focke-Wulf schräg über sie hinweg. Sie lächelte. Jetzt wusste sie, wo der Galgenberg lag. Obwohl die Focke-Wulf nur Schulflugzeuge und viel zu langsam für den Kunstflug waren, steuerten sie das Flugfeld an. Sie waren klein und langsam, aber sie flogen, dachte sie.
    Die Straßenbahn hielt und leerte sich schnell. Luise folgte einfach der Menge, die sich durch die Straßen bergan schob. Hoffentlich bekam sie noch einen guten Platz! Sie wollte doch die Maschinen fotografieren. Sie begann, schneller zu gehen und die anderen zu überholen, und oben, am Tor im Drahtzaun um das Flugfeld, waren es tatsächlich weniger Menschen, als sie befürchtet hatte. Sie zeigte ihre Karte vor und wurde von einem jovialen, älteren Mann in abgenutzter Flugzeugmontur durchgewinkt. Er deutete anerkennend auf ihre Fahrtenhose.
    »Wenn du die Flugzeuge sehen willst, Mädel«, beugte er sich etwas vor, deutete nach rechts und flüsterte vertraulich, »da geht’s hinter den Hangar. Sag, der Walther schickt dich. Dann lassen sie dich durch.«
    Luise blickte ihn überrascht an.
    »Danke«, sagte sie dann fröhlich, »vielen Dank.«
    Der Alte hatte sich schon wieder umgedreht und riss weiter Karten ab. Luise schaute sich um. Auf dem Flugfeld stand schon eine Reihe von Flugzeugen. Die Focke-Wulf, die sie vorhin gesehen hatte, rollten eben an den Rand, um den Kunstflugmaschinen Platz zu machen, die aber bislang noch in den Hallen warteten. Sie sah, dass die meisten Leute sich entlang des Flugfeldes verteilten, und überlegte kurz. Wenn sie jetzt zu den Hallen ging, dann würde sie später sicher nur noch einen Platz mit schlechterer Sicht bekommen. Andererseits hatte sie nun die Möglichkeit, alle Maschinen aus der Nähe zu sehen. Schnell entschlossen rannte sie zu den Hallen hinüber. Zwei Mechaniker standen dort im Gespräch und sahen ihr zu, wie sie näher kam.
    »Na, wo soll’s denn so eilig hingehen, Frollein?«, fragte der Längere im Berliner Dialekt und ohne ein Lächeln.
    »Herr Walther am Eingang meinte, dass Sie mich hereinlassen, wenn ich sage, dass ich von ihm komme«, haspelte Luise außer Atem, »ich würde mir so gerne die Flugzeuge anschauen.«
    »Herr Walther!«, gab der andere Mechaniker mit Betonung auf »Herr« zurück und lachte dabei. »Das ist kein Herr, junge Dame. Aber denn geh mal. Ist noch eine halbe Stunde, bis es anfängt. Aber nichts anfassen, ja?«
    Luise dankte, ging in die Flugzeughalle und blieb dann kurz stehen. Es roch nach Benzin und nach Leinwand, nach Schmieröl und ein wenig nach heiß gewordenem Eisen. An ­einer Maschine arbeitete ein Mechaniker, sah kurz auf, als er Luises Schritte hörte, nickte aber nur und wandte seine ganze

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