Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
wird sie morgen bereuen, dachte Anna. Elaine tanzte ausgesprochen uncool. Sie musste mindestens sechzig Mal Grease gesehen haben. Ein merkwürdiger Mann mit schlecht sitzendem Samtjackett gesellte sich zu ihr. Er nahm Elaines Hand und versuchte, sie herumzuwirbeln. Sie verlor den Halt und fiel hin. Anna rannte auf die Tanzfläche und half ihr hoch.
„Komm, gehen wir. Zu mir. Und da trinken wir dann noch einen Kaffee“, sagte sie, als sie Elaine zur Garderobe führte, um den Mantel zu holen.
Elaine war bockig. „Nein! Ich will meinen Spaß haben. Nie kann ich Spaß haben. Ich will nicht nach Hause gehen“, sagte sie eigensinnig.
„Aber hier können wir nicht bleiben. Der Club hat schon geschlossen. Die Lichter sind schon an“, erklärte Anna.
„Wirklich?“ Elaine schlug bestürzt die Hände vors Gesicht. „Isch mein Make-up noch in Ordnung?“
„Alles in Ordnung“, beruhigte Anna sie und führte sie zum Ausgang. „Es wird sowieso keiner sehen. Wir gehen jetzt heim.“
„Ich geh jetzt nicht nach Hause“, sagte Elaine auf dem Parkplatz des Burlington Hotels störrisch.
„Wohin gehst du dann?“, wollte Anna wissen. Es war bitterkalt, und es wehte ein schneidender Wind an diesem frühen Februarmorgen.
„Leeschon Schtreet.“
„Gut“, sagte Anna etwas ungehalten und stapfte auf die andere Seite der Straße, um ein Taxi heranzuwinken. „Aber wir bleiben höchstens eine halbe Stunde.“
Die folgenden vierzig Minuten verbrachten sie in einem fast leeren Club in der Leeson Street und nippten an billigem Wein. Vier Frauen in Cocktail Kleidern tanzten um ihre Handtaschen herum, und in einer Ecke machte sich ein schmieriger grauhaariger Kerl an eine halb so alte Frau ran. Es war deprimierend.
Anna zündete sich ihre letzte Zigarette an und fragte: „Und, bist du jetzt zufrieden, hier?“
„Ehrlich geschagt, ja“, sagte Elaine. „Ich hab‘sch satt, mich selbscht zu bemitleiden. Ab heute werde isch das Leben genießen.“
„Gut gesagt. Das ist die richtige Einstellung“, ermunterte Anna sie und nahm sie in die Arme. „Wollen wir für heute Schluss machen?“
Elaine nickte schwankend und kippte den letzten Rest Billigwein hinunter. Oh weh, so einen Kopf wie Elaine morgen früh möchte ich nicht haben, dachte Anna.
Sie brachte Elaine nach Hause, bevor sie selbst heimging und sich vollständig angezogen auf ihr Bett fallen ließ.
Kapitel 13
Claire schob Andrews Kinderwagen über den Dún Laoighaire Pier. Sie hatten Gegenwind. Die Seeluft war frisch, und der Verkehrslärm von Ranelagh war nur noch ein weit entferntes Rauschen. Ein Spaziergang hätte Simon bestimmt auch gut getan, aber sie hatte ihn nicht überreden können. Er hatte es vorgezogen zu Hause vor seinem PC zu bleiben. Claire machte sich Sorgen um ihn. Mit dem Kopf war er immer bei der Arbeit, selbst wenn er frei hatte. Wie sollte das noch enden? Das Leben bestand doch nicht nur aus Arbeiten und Geld verdienen. Sie hatte ihn wegen seines nächtlichen Fernbleibens zur Rede gestellt. „Das mache ich doch nur zur Kontaktpflege“, hatte er erklärt. „Man kann sich nicht so einfach von der Meute absondern, verstehst du? Ab und zu muss man sich schon blicken lassen.“
„Ja sicher muss man das ab und zu. Aber deswegen muss man nicht die ganze Nacht weg bleiben. Warum gehst du nicht einfach in einen Golf Club oder so was? Andere machen das doch auch so.“
Er entschuldigte sich und versprach, ernsthaft darüber nachzudenken einem Sportclub beizutreten. Aber Claire war nicht allzu hartnäckig. Irgendwie wünschte sie sich auch, wieder Single zu sein. Wie Anna. Anna genoss ihr Leben in vollen Zügen. Sie bewegte sich in einer Seifenopernwelt. Bei ihr ging es wie auf einem Bahnhof zu: Die Männer kamen und gingen. Das war meilenweit entfernt von Claires eintönigem Leben. Sie hatte immer geglaubt, eine Familie zu haben wäre das Größte im Leben. Was war denn nur schief gegangen?
Sie erinnerte sich an die kurze Begegnung mit Victoria und schauderte. Victoria hatte ihr Leben vollständig im Griff. Hatte sie selbst sich in all diese Verpflichtungen gestürzt, ohne überhaupt nachzudenken? Vielleicht hätte sie warten und ein bisschen Schwimmunterricht nehmen sollen, bevor sie sich ins tiefe Wasser einer Mutterschaft begeben hatte. Andererseits, wer zum Teufel gab Victoria das Recht über andere zu urteilen?
An der Spitze des Piers stellte sie den Buggy ab, setzte sich auf eine Bank und starrte nach Howth hinüber. Dort
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