Ein Mann von Ehre
versicherte ihr: „Selbstverständlich werde ich alles tun, meine Liebe, um dich zu beschützen.“
Sie war immer noch der Meinung, der Bruder solle informiert werden, konnte sich jedoch vorstellen, wie unangenehm es für seine Verlobte sein musste, über solche Dinge mit ihm zu reden. Vielleicht war es tatsächlich besser, die Sache im Moment auf sich beruhen zu lassen. Rosalyn nahm sich jedoch vor, Frederick ins Vertrauen zu ziehen, falls Mr. Harrington Beatrice tatsächlich in unschicklicher Weise belästigen sollte.
Aber vielleicht hatte Beatrice auch nur übertrieben. Rosalyn merkte jedoch bald, dass die Befürchtungen ihrer zukünftigen Schwägerin nicht unbegründet waren. Nachdem sie Mr. Harrington eine Weile später kennengelernt hatte, fand sie ihn abstoßend und ekelhaft. Die Art, wie er sie mit seinem Blick förmlich auszog, widerte sie an.
„Ich habe schon so viel über Sie gehört“, sagte er. „Sie sind noch hübscher, als man Sie mir beschrieben hat. Man erzählt sich, Lord Davenport und Mr.
Foster sollen sich beim Ball in Lord Renshaws Residenz Ihretwegen in die Haare geraten sein.“
Rosalyn musste sich zwingen, ihre Abneigung nicht zu zeigen.
„Sie schmeicheln mir, Sir“, erwiderte sie mit kühler Höflichkeit. „Ich bin sicher, die Gerüchte sind stark übertrieben.“
„Nein, Miss Eastleigh“, widersprach Bernard. „Hat denn keiner der beiden sich Ihnen erklärt? Dann ist jeder von ihnen in meinen Augen ein Narr!“
Mr. Harringtons Bemühungen, mit ihr zu poussieren, nahmen sie noch mehr gegen ihn ein. Sie bemerkte, dass seine Schwester sie beide mit zufriedenem Lächeln beobachtete. Du lieber Himmel! Bestürzt überlegte sie, ob Mrs. Jenkins es billigte, dass er mit ihr, die erst vor Kurzem von ihr so gut wie beschuldigt worden war, eine leichtfertige Person zu sein, in dieser dreisten Weise schäkerte. Das konnte unmöglich der Fall sein, denn Mrs. Jenkins würde gewiss nicht in ihr eine für ihren Bruder geeignete Gattin sehen.
Dennoch war offenkundig, das Mrs. Jenkins ihr Verhalten Rosalyn gegenüber etwas verändert hatte. Sie war nicht freundlicher geworden, sondern eher wachsamer, misstrauischer.
Rosalyn sagte sich, es könne nicht an ihrem höchstens sechstausend Pfund betragenden Vermögen liegen, dass Mr. Harrington sich so aufdringlich zu ihr benahm. Trotzdem ging dieser Gedanke ihr auch in den folgenden Tagen nicht aus dem Sinn, da Mr. Harrington nicht aufhörte, mit ihr zu tändeln und ihr aufgesetzte Komplimente zu machen.
Sie bemühte sich, seine ihr unerwünschten Aufmerksamkeiten zu ignorieren, ohne unhöflich zu erscheinen. Es gelang ihr besser als Beatrice, seine Avancen zurückzuweisen. Beatrice mied ihn, so gut es ging, und wich, sobald er im Raum war, nie von der Seite ihres Verlobten.
Selbst Maria vertraute Rosalyn an, sie könne Mr. Harrington nicht ausstehen. Und Sarah weigerte sich, mit ihm im selben Raum zu sein.
„Er ist so hässlich“, sagte sie zu Rosalyn und schüttelte sich angewidert. „Und seine Augen! Scheußlich! Du musst höflich zu ihm sein, aber ich bin nicht dazu gezwungen. Ich bin noch ein Kind, von dem man nicht erwarten kann, dass es immer genau weiß, wie es sich zu benehmen hat.“
Sarah zögerte indes nicht, immer dann, wenn es ihr dienlich war, zu behaupten, sie sei bereits erwachsen. Neuerdings hielt sie sich jedoch selten im Haus auf. Wenn sie nicht mit dem Hund einen Spaziergang unternahm, ritt sie mit einem der Stallknechte aus. Die körperlichen Ertüchtigungen taten ihr gut und führten dazu, dass sie Farbe in die Wangen bekommen hatte.
Die Art, wie Frederick sich zu Mr. Harrington benahm, konnte man bestenfalls brüsk nennen.
„Ich wünschte, Mr. Harrington würde endlich verschwinden“, vertraute er der Schwester an, als er mit ihr allein war. „Leider kann ich ihn nicht zur Abreise auffordern.“
Nur Mrs. Jenkins schien sich darüber zu freuen, dass ihr Bruder im Haus war. Daher war Rosalyn, als sie am Tage vor dem Verlobungsball von einem Spaziergang im Park ins Haus zurückkehrte, sehr erstaunt, Mrs. Jenkins und deren Bruder sich im Salon zanken zu hören.
Da sie nicht zu ihnen gehen wollte, solange sie noch stritten, blieb sie vor der Tür stehen.
„Ich habe dir schon zuvor gesagt, Bernard, dass ich gewillt bin, die Schulden, die du bei Lieferanten hast, zu übernehmen, jedenfalls innerhalb eines gewissen Rahmens. Aber ich komme nicht für deine Spielschulden auf. Du musst eine andere Möglichkeit
Weitere Kostenlose Bücher