Ein Mann von Ehre
Davenport mehrere von Harringtons Schuldscheinen hielt, die niemand mehr gern annehmen wolle. Daher sei Harrington genötigt, in heruntergekommenen Spielhöllen zu verkehren.
Die Schuldscheine, die der Viscount in seinem Besitz gehabt hatte, befanden sich jetzt bei einem Anwalt. Damian hatte sie für zehntausend Pfund aufgekauft.
„Warum wollen Sie die Schuldscheine haben?“, hatte Davonport verwundert gefragt. „Ich bezweifele, dass Mr. Harrington auch nur die Hälfte der Gesamtsumme aufbringen kann.“
„Ich habe persönliche Gründe“, hatte Damian geantwortet. „Es geht um eine Sache, die längst hätte erledigt werden müssen.“
„Sie haben den Falschen erschossen, nicht wahr?“ Der Viscount hatte die Augenbrauen hochgezogen. „Ich bin kein Trottel, Marlowe. Sie haben den Mund gehalten, und das war verdammt anständig von Ihnen, erst recht, wenn ich berücksichtige, wie Ihr Vater sich Ihnen gegenüber benommen hat. Aber jedem, der auch nur einen Funken Verstand hat, war damals klar, warum sie Roderick Harrington zum Duell gefordert haben. Alle Welt weiß, dass Sie für Renshaw wie ein Bruder sind. Seine Schwester hat sich umgebracht, obwohl ihre Familie das zu vertuschen wusste. Man muss kein Hellseher sein, um den eigentlichen Grund für das Duell zu kennen.“
„Zufälligerweise waren Bernard Harrington und sein Bruder in die Sache verwickelt, aber damals hat Helen nur Roderick beschuldigt.“ Damian furchte die Stirn. „Ich hoffe, Sie behalten das für sich, Davonport! Sprechen Sie bitte zu niemandem darüber.“
„Das versteht sich von selbst. Ich bin kein Klatschmaul und halte erst recht den Mund, wenn eine Dame betroffen ist. Ich war jedoch immer der Meinung, dass Sie uns allen einen großen Dienst erwiesen haben, als Sie die Welt von diesem Geschmeiß befreiten.“ Der Viscount hatte gelächelt. „Ja, ich werde Ihnen die Schuldscheine verkaufen. Es ist mein brennendster Wunsch, dass Mr. Harrington den Anstand wahrt und sich eine Kugel in den Kopf schießt. Ich bezweifele jedoch, dass er den Mut dazu aufbringt.“
„Dann werde ich das vielleicht an seiner Stelle tun.“
„Haben Sie vor, den Rest Ihres Lebens in Indien zu verbringen? Das Opfer ist Harrington doch wohl nicht wert! Sollten Sie sich dazu entschließen, Marlowe, Ihren Platz wieder in der Gesellschaft einzunehmen, dann werden Sie feststellen, dass Sie mit offeneren Armen aufgenommen werden, als Sie jetzt denken.“
Dieses Gespräch hatte am Vormittag stattgefunden. Mittlerweile war es Abend geworden. An den Spieltischen saßen skrupellose Männer mit harten Mienen. Es stank nach Schweiß, Rauch und abgestandenem Bier.
Was für ein grässlicher Ort! Schon im Begriff, ihn zu verlassen, hörte Damian plötzlich, dass am anderen Ende des Raums ein Tumult entstand. Es war sofort offenkundig, dass einer der Männer des Falschspiels bezichtigt worden war. Tische wurden umgestürzt, und die Männer schrien sich an.
Besonders ein sich unsicher auf den Füßen haltender Mann verwahrte sich dagegen, des Falschspiels bezichtigt zu werden. Damian verengte die Augen, betrachtete ihn und fragte sich, ob er wirklich Bernard Harrington vor sich habe. Harrington war kaum zehn Jahre älter als er, aber fett und alt geworden. Sein Gesicht war vom vielen Trinken und anderen Ausschweifungen aufgedunsen.
Inzwischen war es sehr still im Raum geworden. Alle Leute schienen gespannt darauf zu warten, was Mr. Harrington als Nächstes tat. Er schien unschlüssig zu sein, zwinkerte und schüttelte den Kopf, als habe er plötzlich begriffen, was geschehen war. Dann drehte er sich um und torkelte zum Ausgang. Er stieß gegen Tische und Stühle und prallte mit einem Ober zusammen, dem das Serviertablett aus der Hand gerissen wurde. Die Gläser fielen zu Boden und zersplitterten mit ohrenbetäubendem Lärm.
„Der verdammte Kerl!“, murmelte der Mann, der Mr. Harrington des Falschspiels beschuldigt hatte. „Er war immer ein Feigling und wird einer bleiben.“
„Ich bin Ihrer Meinung“, warf Damian ein und näherte sich dem Tisch, den zwei Männer wieder aufstellten. „Kann ich kurz mit Ihnen reden, Sir?“
Der Mann starrte ihn einen Moment lang an und nickte dann. „Sie sind Lord Marlowe, nicht wahr? Jemand hat mich neulich bei Lord Renshaws Ball auf sie aufmerksam gemacht. Bitte, nehmen Sie Platz, Sir.“
„Danke.“
„Erlauben Sie, dass mich Ihnen vorstelle. Ich heiße Peter Tamworth. Was kann ich für Sie tun, Mylord?“
„Ich
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