Ein Mensch namens Jesus
Menschen heilen«, erwiderte Judas.
»Ist das alles? Ich bringe es dir bei. Sind noch welche da, die der Messias sein wollen?«
»Wir möchten wirklich wissen, wie man Leute heilt«, meinte Matthäus.
»Die Leute heilen«, wiederholte Jesus. »Soll ein Messias das tun?«
»Das erwarten die Menschen auch«, meinte Bartolomäus. »Du hast in Sichem keinen geheilt. War es, weil es Samariter sind? Dabei hast du mit einer ihrer Frauen geredet. Einer gewissen Saphira. Die auch behauptet, du seist der Messias.«
Jesus nickte. »Ein Prophet in seinem eigenen Land spricht in den Wind«, sagte er. Heile ein Geschwür, bringe ein Humpeln wieder in Ordnung, lege ein Pflaster auf, und schon bist du der Messias. Sie brauchen nicht nur einen Feldherrn, sondern auch einen Heiler. Was Apollonios anderswo gesehen hatte, war kein Geheimnis, die jüdischen Geschichten interessierten ihn nicht, ein Magier muß nur die Geldwechsler aus dem Tempel mit der Peitsche vertreiben. Er war ihrer müde, seiner vierzehn. Den sensiblen Thomas und den zärtlichen Johannes eingeschlossen. Allein ginge es ihm besser. Fehlte nur noch, daß sie ihm mit Hilfe des Weins beibrachten, den Messias zu spielen. Er überlegte sich, ob er sie sofort verlassen sollte. Aber vielleicht würden sie es ja mit der Zeit lernen... »Gehen wir«, sagte er.
Auf der Straße nach Kafarnaum bereitete man ihm einmal mehr ein Fest. Ein Auflauf, ganze Menschenmassen, Lorbeer, Geschenke, Lebensmittel, Kleidung, Mäntel, Sandalen, Silber. Matthäus zählte alles. Die Leute hatten von dem Vorfall im Tempel gehört; manche hatten ihn ausgeschmückt und übertrieben, sagten, er habe den Hohenpriester geohrfeigt, an die Armen das Geld der Wechsler verteilt. »Der Geist des Elias ist in dir«, sagte einer, aber für einen anderen war er Ezechiel und für einen dritten Jesaja, ganz nach den Vorlieben der einzelnen. Er war versucht, ganz allein nach Kappadokien zurückzukehren.
Das Gespräch zwischen ihm und den Jüngern war versiegt oder blieb es zumindest, bis eines Abends bei einem Essen in Kana, wo die Menschen felsenfest davon überzeugt waren, daß er der Messias sei, Johannes sich mit einem boshaften Lächeln an ihn wandte: »Herr, würdest du sagen, daß in den Wind sprechen dasselbe ist wie in den Wind säen?«
Es war das erstemal seit Sichem, daß der Jüngling das Schweigen brach. Alle hörten die Frage. Sie warteten auf eine Antwort. »Vielleicht bin ich ein schlechter Säer, Johannes. Aber die Samen sind gut.«
»Die Samen sind aufgegangen«, meinte Simon Petrus. »Für dich wird es bald Zeit, zu ernten.«
»Sicher. Aber die Ernte wird weder meine noch eure sein.«
»Werden wir nichts davon haben?« fragte Iskariot.
»Wenn die Ernte gut ist«, erwiderte Jesus, »werdet ihr euch nähren können.«
»Woran?«
»Am Heiligen Geist, der in euch sein wird.«
»Nur in uns?«
»Der Reiche, der sein Brot den Armen verweigert, wird der des Königreiches würdig sein? Und was soll man dann erst vom Brot des Himmels sagen?«
»Sogar die Frauen?« fragte Judas, der Sohn des Jakob.
»Hat Gott nicht auch sie geschaffen?«
»Aber sie wecken das Fleisch und machen uns schwerfällig«, beharrte Judas.
»Wenn du eine Frau wärst, Judas, würdest du dann nicht das gleiche von den Männern denken?« Sie grübelten immer noch über seine Begegnung mit Saphira nach.
»Aber ist es denn nicht eine Sünde gegen den Geist, sich mit Frauen... zu verbinden?« fragte Simon Petrus.
»Glaubst du, daß der Herr das Leben nur in Unreinheit fortpflanzen wollte?« antwortete Jesus und hob die Stimme etwas. »Wenn ein Mann und eine Frau in einem Bett sind, kann die Liebe ihren Geist vereinen und über ihr Fleisch erheben.« Und nach einer Weile fragte er: »Dachtest du an die Frau, mit der ich in Sichem sprach?«
Simon Petrus errötete.
»Die Liebe ist auch eine der Quellen des Geistes, Simon Petrus. Du darfst daran nicht in Begriffen der Eroberung denken, sondern als Hingabe. Wenn du dich einem Menschen nicht hingeben kannst, wie könntest du dich dann dem Herrn hingeben? Denn der Herr verlangt unendlich mehr als ein Mensch.«
»Du scheinst zu meinen, daß die Liebe göttlichen Ursprungs ist«, fuhr Judas fort. »Aber wenn zwei Männer behaupten, sich zu lieben, wie es manche Heiden tun, ist das denn nach Leviticus nicht etwas Abscheuliches?«
»Was du von mir verlangst, Judas, ist eine Verdammung, und keine Erklärung«, erwiderte Jesus schneidend. »Wenn ich nur dir allein
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