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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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seines Ansehens zu berauben?« brachte Levi ben Pinhas vor.
    Da nun sprang Kaiphas plötzlich auf und schrie mit wutverzerrtem Gesicht: »Ja, haben wir denn jeglichen Begriff von Gotteslästerung verloren? Wenn das keine Gotteslästerung ist, sich als Sohn, und zwar als einzigen Sohn, des Allmächtigen auszugeben! Ich jedenfalls behaupte, daß dies eine abscheuliche Gotteslästerung ist!« Und er zerriß sich eigenhändig das Gewand. Wie ein Aufschrei wirkte das jähe Geräusch des reißenden Tuches. Seine behaarte Brust hob und senkte sich bebend. »Ich verlange, daß das Urteil in dieser Angelegenheit hier und jetzt gefällt wird!« fuhr er fort. »Und ich darf euch daran erinnern, daß ein Übermaß an Skrupel das Zeichen für schwächliche Feigheit ist.« Er setzte sich wieder.
    »Gerichtsschreiber«, sagte Gedalja, »schlag dein Buch auf und mach dich bereit, die Hände zu zählen, die für die Todesstrafe stimmen!«
    »Ein letztes Wort!« Die Stimme, die sich da erhob, ließ keinen Widerspruch zu; sie gehörte Nikodemus. »Wir wissen alle, daß es gar nicht in unserer Macht steht, ein Todesurteil zu fallen. Denn wir sind kein souveränes Gericht mehr, sondern ein rein religiöses und lediglich befugt, Geldstrafen und Körperstrafen zu verhängen, beziehungsweise zu vollstrecken. Diese Strafen dürfen nicht über eine Geißelung hinausgehen, und selbst in diesem Falle ist uns nur eine gewisse Anzahl von Schlägen stattgegeben. Also wird das Todesurteil, auf das in dieser Versammlung gedrängt wird«, hier warf Nikodemus einen wütenden Blick in Richtung Gedalja und Kaiphas, »rein symbolischer Natur sein, seine Folgen für uns jedoch gewiß nicht. Alles, was wir unternehmen können, wenn wir tatsächlich dieses Urteil vollzogen wissen wollen, ist, den Verurteilten dem Statthalter von Judäa, Pontius Pilatus, mit dem Antrag auf Kreuzigung zu übergeben. Wenn aber Pilatus unseren Antrag ablehnt und dem Mann die Freiheit schenkt, sind wir peinlich kritisiert und gedemütigt. Daher erkläre ich ohne Umschweife, daß ich nicht für den Tod stimmen werde. Ich beantrage die Geißelung, weil sie weder unser Ansehen noch unsere Würde bedroht.«
    Ein dumpfes Hämmern zog aller Blicke auf Hannas, der als ehemaliger Hoherpriester zu den Mitgliedern des Sanhedrin zählte. Er schlug mit der Faust gegen die Lehne seines Sitzes. »Wir sind hier nicht zusammengekommen, um uns dieser Art taktischer Überlegungen hinzugeben«, knurrte er. »Die Sünde besteht in der Gotteslästerung, sie muß geahndet werden.«
    Jesus wandte leicht den Kopf, um Hannas anzusehen. »Gerichtsschreiber, mach dich bereit!« ordnete Gedalja an.
    Der Gerichtsschreiber öffnete eine Schriftrolle, deren Griffleisten durch den Gebrauch der Zeit abgenutzt glänzten; ein Gerichtsdiener hielt sie an den beiden Enden fest. Die Feder wurde mit Tinte getränkt, dann begann sie, über das Pergament zu kratzen.
    »Alle, die für die Todesstrafe sind, mögen die Hand heben!« rief Gedalja.
    Etliche Hände fuhren in die Höhe, andere, wie zögernd, wenig später. Vierundfünfzig waren es.
    »Dieser Gerichtshof verfügt, daß der angeklagte Galiläer Jesus, Sohn des Priesters Josef, Zimmermann seines Standes und einundvierzig Jahre alt, am heutigen Tag, dem dreizehnten Tag des Nisan im dreitausendsiebenhundertvierundneunzigsten Jahr seit der Entstehung der Welt, durch Mehrheitsabstimmung des Großen Sanhedrin von Jerusalem wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt wird«, las der Gerichtsschreiber vor.
    Kaiphas stieg die Stufen hinunter, um zu unterzeichnen. Ein Levit sprang eilfertig vor, um ihm mit seinem Mantel die Schultern zu bedecken. Daraufhin unterschrieb Gedalja, dann Bethyra, der älteste der Schriftgelehrten, und schließlich Levi ben Pinhas, der älteste der gesamten Ratsversammlung.
    »Bringt den Verurteilten zu Pilatus!« befahl Kaiphas.
    Die Türen öffneten sich. Vier Tempelwachen kamen herein und nahmen Jesus in ihre Mitte. Die Versammlung verließ den Saal durch die rechte Tür, während die Wachen mit ihrem Gefangenen die linke nahmen. Jesus zitterte; es war kalt.
    An der Tür, die auf den Innenhof hinausführte, hatten Bedienstete Kohlebecken aufgestellt, damit sich die Wachen daran aufwärmen konnten. Auch andere Leute, die vorüberkamen, wärmten sich hier die Hände, darunter ein gebeugter alter Mann mit grämlichem Gesicht.
    »Sag mal«, sagte einer der Knechte, »gehörst du nicht zu den Gefolgsleuten von diesem Kerl, über den man da

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