Ein mörderischer Schatten (German Edition)
Sie kam gut alleine klar. Das allein würde schon reichen, sich von ihm fernzuhalten. Aber dass sie es genoss, sich stundenlang mit ihrem aus der Menge herausstechenden Nachbarn zu unterhalten, beunruhigte Toni auf das Äußerste. Also würde sie das unterlassen. Sie ärgerte sich jetzt schon, dass sie ihm eine Postkarte geschickt hatte. Sie hatte am Montag in einem Souvenirladen einen schwachen Moment gehabt und sogar schon ein Andenken für ihn in der Hand gehabt. Doch dann hatte sie an ihre Vernunft appeliert und es wieder weggelegt. Aber die witzige Postkarte, die konnte sie ihm ruhig schicken, hatte sie gedacht. Da war ja nichts dabei, nicht wahr? Sie hatte ja schließlich ihren Eltern auch eine geschickt. Und sogar ihren Arbeitskollegen. Da ihr Stalker sie ja eh schon gefunden hatte, hatte Toni keinen Sinn darin gesehen, ihren Aufenthaltsort länger geheimzuhalten. Aber nun ärgerte Toni sich, dass sie von sich aus wieder etwas getan hatte, um Mark Anlass zu geben, zu glauben, dass sie an ihn dachte. Sie musste wirklich sehen, dass sie wieder ein etwas oberflächlicheres Verhältnis zu ihm bekam. Toni blieb lieber für sich. Sich jemand anderem anzuvertrauen, verlangte ein enges Vertrauensverhältnis. Und das wollte Toni nicht mit Mark haben. Er war niemand, den sie auf Dauer in ihrem näheren Umfeld haben wollte. Oder in dem ihrer Kinder. Er war ja nett zu ihr und Toni schämte sich, so voller Vorurteile zu sein, aber sie konnte nicht anders, er war ihr zu, zu..anders. Sie wollte mit so Leuten einfach nichts zu tun haben. Außerdem kam sie gut alleine klar. Hatte sie sich nicht gut amüsiert, diese letzten Wochen, nur mit ihren Kindern?
Toni warf noch einen Blick auf das Displa y, wo Marks unbeantwortete Anrufe aufleuchteten, ehe sie ein paar Bilder schoss und es danach wieder in ihre Hosentasche steckte.
Am Samstagnachmittag bog Toni in ihre Einfahrt ein und erschöpft stiegen sie alle aus. „So Kinder. Wir sind wieder zu Hause“, rief Toni zufrieden. Sie streckte sich und erfreute sich am Anblick ihres Häuschens. Der Urlaub was schön gewesen, doch jetzt war sie froh, wieder zu Hause zu sein.
„Jetzt bringen wir unser Gepäck rein und rufen Oma und Opa an und dann müssen wir noch was einkaufen. Wir haben nichts mehr im Haus“, sagte Toni und öffnete den Kofferraum.
Nachdem alle Sachen ausgeladen und im Haus verstaut waren, marschierten sie w enig später wieder zum Auto.
„Hallo, wieder zurück?“
Toni blieb stehen und stockte, ehe sie sich ihrem Nachbarn zuwandte. „Ja, grade angekommen. Hallo Mark“, sagte sie ruhiger, als sie sich fühlte.
„Danke für die Postkarte.“
„Oh, ja, bitte“, sagte sie peinlich berührt. Dann zwang sie sich, nicht so kindisch zu sein. Was war dabei, jemandem eine Postkarte zu schicken?
„Ich hab mich nur gewundert.“
„Warum? Ist ja wohl nichts dabei. Ich hab meinen Eltern auch eine geschickt“, verteidigte sie sich.
Verwirrt sah er sie an. „Ich dachte ja nur, weil du ja nicht wolltest, dass jemand weiß, wo du bist.“
„Oh, ach so.“ Warum war sie nur so schwer von Begriff. „Das meinst du.“
„Was denn sonst?“
Sie winkte ab. „Schon gut.“
Er warf den Kindern einen Blick zu. „Schönen Urlaub gehabt?“
„Ja, es war klasse. Wir waren Schwimmen und Klettern und Bootfahren und im Zoo und haben ganz viele Freunde gefunden“, rief Simon.
„ Komm, Simon, wir müssen jetzt los, noch was einkaufen“, sagte Toni und öffnete die Autotür. Mark sah sie komisch an, als sie ihn so stehen ließ, aber sie wollte nur weg. „Kommt, steigt ein, Kinder“, rief sie und stieg ein. Dann fiel ihr ein, dass Simon den Gurt nie allein zubekam und musste notgedrungen wieder aussteigen.
Mark beobachtete, wie seine Nachbarin in ihr Auto sprang, nur um direkt wieder auszusteigen und den Jungen anzuschnallen. Dafür, dass sie gerade aus dem Urlaub kam, sah sie trotz der Bräune nicht besonders frisch aus. Sie hatte Ringe unter den Augen und wirkte erschöpft. Und sie verhielt sich ihm gegenüber merkwürdig. Enttäuscht stellte Mark fest, dass er recht gehabt hatte, mit seiner Vermutung, sie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben. Aber warum hatte sie zuerst mit ihm telefoniert? Und ihm die Postkarte geschickt? Er hatte sich, als er am Mittwoch die Postkarte im Briefkasten hatte, gefreut zu erkennen, dass sie ihm so weit vertraute, dass sie ihn wissen ließ, wo sie sich aufhielt. Und jetzt benahm sie sich, als würde er sie belästigen.
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