Ein Ort für die Ewigkeit
gelassen hinzunehmen. Insgeheim war er nicht gelassen, sondern euphorisch wegen der Aussichten, die er vor sich sah, wenn er nur die Mutter überzeugen konnte, daß sein Interesse ihr galt und nicht dem attraktiven Mädchen. Dies gelang ihm. Und da endete Alison Carters Kindheit.
Als sie Philip Hawkins Stieftochter wurde, wurde sie auch zu seiner Beute. Da sie unter demselben Dach lebten, gab es kein Entrinnen. Er machte pornographische Fotos von ihr. Er verführte sie. Er vergewaltigte sie. Er hatte Analverkehr mit ihr. Er zwang sie zum oralen Geschlechtsverkehr. Er terrorisierte sie. Wir wissen dies, weil wir es mit eigenen Augen auf Fotos gesehen haben, die kein Zeichen der Fälschung, sondern alle Merkmale der Echtheit aufweisen. Grauenhaft, gemein, entwürdigend und über allen Zweifel erhaben liegt uns hier eine Chronik dessen vor, was Alison Carter durch ihren Stiefvater zugefügt wurde.
Was dann passierte, werden wir nie wissen, da der Angeklagte sich geweigert hat, die Gelegenheit zu ergreifen, Ruth Carters Leid zu mildern und uns zu sagen, wie er ihre Tochter beseitigte und warum er es tat. Vielleicht drohte Alison, es ihrer Mutter oder einer anderen erwachsenen Person zu erzählen. Vielleicht war er ihrer überdrüssig und wollte sie loswerden. Vielleicht geriet ein morbides Sexspiel außer Kontrolle. Was immer der Grund war – und es ist nicht schwierig, sich in einem so verhängnisvollen und barbarischen Fall Motive vorzustellen –, Philip Hawkin beschloß, seine Stieftochter zu töten. So vergewaltigte er sie in einer dunklen, feuchten Höhle zum letzten Mal, zog den Abzug des Revolvers und ermordete die arme dreizehnjährige Schülerin.
Als er dann mit seiner Untat konfrontiert wurde, hatte er die Unverschämtheit zu versuchen, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, indem er den guten Namen eines ehrlichen Polizeibeamten besudelte.
Philip Hawkin hatte Alison Carter gegenüber eine Fürsorgepflicht. Statt dessen benutzte er seine Stellung, um sie sexuell zu mißbrauchen, und als etwas schiefging, erschoß er sie. Dann beseitigte er die Leiche, weil er glaubte, daß es ohne Leiche keine Anklage und keine Feststellung der Schuld geben könne. Meine Damen und Herren Geschworenen, Sie können sich von der Beweislage führen lassen und zeigen, daß er unrecht hatte. Philip Hawkin ist dessen schuldig, was ihm vorgeworfen wird, und ich rate Ihnen dringlich, mit dem entsprechenden Urteil in diesen Gerichtssaal zurückzukehren.
Der Prozeß
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uszüge aus dem offiziellen Protokoll vom Prozeß der Krone gegen Philip Hawkin; Rupert Highsmith, Anwalt der Krone, hält vor den Geschworenen sein Abschlußplädoyer für die Verteidigung.
Meine Damen und Herren Geschworenen, Ihnen kommt die wichtigste Aufgabe in diesem Gerichtssaal zu. In Ihren Händen liegt das Leben eines Mannes, der der Vergewaltigung und des Mordes an seiner Stieftochter angeklagt ist. Es ist die Aufgabe der Anklage, absolut zweifelsfrei zu beweisen, daß er diese Verbrechen begangen hat. Es ist meine Aufgabe, Ihnen alle Punkte in ihrer Argumentation aufzuzeigen, wo ihr das nicht gelungen ist. Ich glaube, wenn Sie gehört haben, was ich zu sagen habe, werden Sie es nicht über sich bringen, Philip Hawkin überhaupt eines Verbrechens schuldig zu sprechen.
Die Anklage muß als erstes zeigen, daß ein Verbrechen tatsächlich geschehen ist. Nun, dieser Fall bietet gleich von Anfang an einige ungewöhnliche Probleme. Es gibt keinen Kläger. Alison Carter ist verschwunden, deshalb ist sie nicht in der Lage, eine Anklage wegen Vergewaltigung vorzubringen, und nicht in der Lage, den Angreifer zu identifizieren – wenn es wirklich einen Angreifer gegeben hat, denn die Anklage hat keine dritte Partei vorladen können, bei der Alison Carter sich beklagte, daß sie mißbraucht wurde. Es gibt keine Zeugen der behaupteten Vergewaltigung. Philip Hawkin kam nicht zerkratzt und blutend nach Hause, als sei er in einen Kampf verwickelt gewesen. Der einzige Beweis für die Vergewaltigung sind die Fotografien. Ich werde noch auf die Fotos zurückkommen. Alles, was ich zu diesem Zeitpunkt sagen will, ist, daß Sie nicht vergessen sollten, daß die Kamera in der Tat lügen kann.
Sie mögen denken, die Entdeckung von Unterwäsche, die bekanntermaßen Alison gehörte und mit Blut und Sperma befleckt ist, sei ein Hinweis auf Vergewaltigung. Das ist aber nicht so, meine Damen und Herren. Sexuelle Aktivität kann viele Formen annehmen. Sie mögen das
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