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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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das Wasser. Zieh dich aus, ich lasse es einlaufen.« Sie scheuchte ihn vor sich her nach oben.
    Eine halbe Stunde später saß er in seinem Morgenmantel am Küchentisch und verschlang eine großzügige Portion Eintopf mit Rindfleisch und Karotten, dazu ein paar Butterbrote.
    »Leider keine Kartoffeln«, entschuldigte sich Anne. »Ich dachte, Butterbrot würde schneller gehen, und ich wußte, du würdest gleich etwas brauchen, wenn du heimkommst. Bei der Arbeit ißt du ja nie richtig.«
    »Hm«, brummte er mit vollem Mund.
    »Hast du es gefunden, dein vermißtes Mädchen? Bist du deshalb schon zu Hause?«
    Das Essen in seinem Mund schien sich in einen unverdaulichen Klumpen zu verwandeln. George beförderte ihn durch kräftiges Schlucken durch die Speiseröhre hinunter. Es war, als verschlänge er ein Haarknäuel von der Größe eines Golfballs. »Nein«, sagte er und starrte auf seinen Teller hinunter. »Und ich glaube, wenn wir sie finden, wird sie nicht mehr lebendig sein.«
    Anne wurde blaß. »Aber das ist ja furchtbar. Wie kannst du das wissen?«
    Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Ich bin nicht sicher. Aber wir wissen, daß sie nicht freiwillig weggegangen ist. Frag mich nicht, warum, aber wir wissen es. Bei der Familie, aus der sie stammt, würde sich eine Entführung wegen des Lösegelds nicht lohnen. Und Leute, die Kinder entführen, halten sie als Gefangene meistens nicht sehr lange am Leben. Ich vermute deshalb, daß sie schon tot ist. Und wenn nicht, wird sie tot sein, bevor wir sie finden, wir haben nämlich überhaupt nichts, worauf wir uns stützen können. Die Dörfler benehmen sich, als wären wir ihr Feind und nicht auf ihrer Seite, und das Gelände ist so schwierig abzusuchen, daß man das Gefühl bekommt, sogar das hätte sich gegen uns verschworen.« Er schob seinen Teller zurück und griff zu Annes Zigaretten.
    »Das ist ja schrecklich«, sagte sie. »Wie kann ihre Mutter damit fertig werden?«
    »Sie ist eine starke Frau, diese Ruth Hawkin. Ich nehme an, wenn man an einem Ort aufwächst, wo das Leben so hart ist wie in Scardale, lernt man, sich zu beugen, statt zu zerbrechen. Aber ich weiß nicht, wie sie es schafft, die Fassung nicht zu verlieren. Sie hat ihren ersten Mann vor sieben Jahren bei einem Unfall auf der Farm verloren, und jetzt noch das. Ihr zweiter Mann ist auch keine große Hilfe. Einer dieser egoistischen Schmarotzer, die alles danach beurteilen, wie es sich für sie auswirken wird.«
    »Ach? Du sprichst wohl von einem Mann?« neckte Anne.
    »Sehr witzig. Ich bin doch nicht so. Ich erwarte nicht, daß mein Essen auf dem Tisch steht, wenn ich die Tür aufmache, das weißt du doch. Du brauchst mich nicht zu bedienen.«
    »Du wärst es aber bald leid, wenn es nicht da wäre, das Essen.«
    George gab es mit einem Achselzucken und einem Lächeln zu. »Wahrscheinlich hast du recht. Wir Männer gewöhnen uns daran, daß ihr Frauen euch um uns kümmert. Aber wenn unser Kind jemals verschwunden wäre, glaube ich nicht, daß ich mein Abendessen verlangen würde, bevor ich meine Frau hinausließe, um es zu suchen.«
    »Das hat er getan?«
    »Nach einer Zeugenaussage, ja.« Er schüttelte den Kopf. »Ich sollte dir das nicht erzählen.«
    »Wem soll ich’s denn weitersagen? Die einzigen Leute, die ich in der Gegend hier kenne, sind die Frauen von anderen Polizisten. Und sie haben mich nicht gerade ins Herz geschlossen. Die in meinem Alter sind alle mit Männern aus niedrigeren Dienstgraden verheiratet, also trauen sie mir nicht, besonders wegen meiner Lehrerausbildung, während sie alle nichts Anspruchsvolleres gemacht haben, als in einem Laden oder einem Büro zu arbeiten. Und die Frauen der Diensthöheren sind alle älter als ich und behandeln mich wie ein dummes kleines Mädchen. Du kannst also sicher sein, daß ich nichts über deinen Fall herumtratschen werde, George«, sagte Anne mit einer gewissen Schärfe.
    »Es tut mir leid. Ich weiß, es ist nicht leicht für dich gewesen, hier neue Bekannte zu finden.« Er streckte die Hand nach ihr aus.
    »Ich weiß nicht, wie ich weiterleben könnte, wenn ich ein Kind verlieren würde.« Fast unbewußt legte sie die freie Hand auf ihren Bauch.
    Georges Augen verengten sich mißtrauisch. »Gibt es etwas, das du mir verschweigst?« fragte er.
    Annes helle Haut lief tiefrot an. »Ich weiß nicht, George. Es ist nur – … na ja, meine Periode ist zu spät dran. Eine Woche. Also … tut mir leid, Schatz, ich wollte nichts sagen, bis ich es

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