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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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…«
    »Kein Kunststück«, sagte Cathery. »Er hat sie rasch zu Boden geworfen, ihr die Kehle durchgeschnitten, damit sie nicht schreien konnte, und noch ein paarmal zugestochen. Die Büsche haben ihm Sichtschutz gegeben. So eine alte Frau wird wenig Gegenwehr geleistet haben.«
    »Woher wissen Sie, daß er ihr die Kehle durchgeschnitten hat?«
    »Das wissen alle. Mindestens zehn Leute haben die Leiche besichtigt, ehe die Polizei kam.«
    »Sie auch?«
    »Ja, natürlich.«
    »Ist Ihnen außer der durchgeschnittenen Kehle noch etwas aufgefallen?«
    »Nein. Sie steckte in einem Müllsack, man sah nicht viel von ihr. Angefaßt hat sie keiner, sie wollten nur mal eine leibhaftige Leiche sehen.«
    Die Erinnerung an den brutalen Mord, dem seine Großmutter zum Opfer gefallen war, hatte offenbar nichts Schmerzliches für ihn. Das Thema war unergiebig, war nicht mehr als eine ärgerliche Ablenkung.
    »Aber von den Bänken hier hat man doch direkte Sicht auf den Schuppen. Und keinem ist an dem bewußten Tag ein Fremder im Park aufgefallen.«
    Cathery zuckte die Achseln. »Dann war es eben kein Fremder. Das vereinfacht die Sache.«
    »Nein, überlegen Sie doch mal genau. Sie sind zu sehr an Ihr zweidimensionales Schachbrett gewöhnt. Sehen Sie das Gesicht da oben?« Er deutete auf ein in roten Backstein eingefaßtes Fenster im zweiten Stock.
    Cathery kniff die Augen zusammen und blickte hoch. Hinter der Scheibe bewegte sich ein weißhaariger Kopf.
    »Und jetzt schauen Sie dort hinüber.«
    ’Von der anderen Straßenseite sah ein jüngeres Gesicht sie an.
    »Der Polizei sind solche Leute sehr willkommen. Jedes Viertel hat mindestens einen professionellen Spannemann. Wie viele Fenster gehen auf diesen Platz hinaus? Irgend jemand hat mit Sicherheit etwas gesehen, aber gemeldet hat sich keiner. Vielleicht einfach deshalb, weil den Zeugen die Bedeutung ihrer Beobachtung gar nicht klar ist. Der Pförtner hatte den Tatort direkt im Blick. Möglich, daß er sich gerade im Haus aufhielt, als der Mord geschah. Aber ich möchte wetten, daß diese Stelle zu keiner Zeit des Tages unbeobachtet war. Daß hinter den Büschen ein Mensch lag, konnte man nicht ohne weiteres sehen, aber wie begeht man so eine blutige Gewalttat ohne richtige Deckung? Und welcher Idiot würde das schon riskieren?«
    »Es wäre so was wie ein Superkick, nicht?«
    »Wie meinen Sie?«
    »Die junge Frau vorhin am Tor hat, als sie noch zur Schule ging, jede Menge Ladendiebstähle begangen. Meist konnte sie das Zeugs überhaupt nicht gebrauchen, aber es sei wie ein Rausch gewesen, sagt sie. Der absolute Knaller, so hat sie es ausgedrückt.«
    Die Partie endete mit einem Patt. Charles stand auf, verließ den Park, schloß das Gittertor hinter sich und schaute sich noch einmal um. Cathery sah zu dem weißhaarigen Beobachter hoch. Der spürte den Blick und trat rasch zurück.
     
    Mallory ist wirklich genauso clever wie der Alte, dachte Jack Coffey. Da hatten sich nun in den letzten drei Monaten haufenweise Vernehmungsprotokolle bei ihnen angesammelt, und keiner war auf den Zusammenhang mit den Séancen gestoßen.
    Er sah sie an, wie sie ruhig und gesammelt vor seinem Schreibtisch saß, und wünschte, sie wäre schon wieder im Dienst. Erst heute Vormittag war ihm so richtig klar geworden, welche Lücke sie hinterlassen hatte. Allerdings hatte er sich schon vorher an ihren freien Tagen lustlos zum Dienst gequält, weil ihm etwas fehlte, wenn sie ihn nicht verrückt machte mit ihrer Ironie und ihrem Hauch von Parfüm. Zwei Monate ohne dieses Parfüm waren eine verdammt lange Zeit.
    Coffey sah auf. Charles Butler war hereingekommen, brachte seine langen Glieder auf dem Stuhl neben Mallory unter und betrachtete einigermaßen geschockt die veränderte Umgebung. Zu Markowitz’ Lebzeiten hatte es in diesem Raum keinen Quadratzentimeter leere Wandfläche gegeben.
    »Hast nicht viel versäumt«, sagte Mallory zu Charles.
    Aber vielleicht habe ich was versäumt, überlegte Coffey. Da trudelt Butler mit einer halben Stunde Verspätung ein, und Pünktlichkeitsfanatikerin Mallory macht ihn nicht fertig, giftet ihn nicht mal mit den Augen an.
    »Hätten Sie nicht erwartet, daß eine dieser netten alten Damen sich bei uns melden würde?« fragte er Charles Butler, der sich inzwischen von seinem Schock erholt hatte.
    »Sie meinen die alten Damen mit dem Geistertick? Vielleicht hat jede es von der anderen erwartet, das ist ein sehr übliches Gruppenverhalten.«
    »Nein«, sagte Mallory.

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