Ein Prinz wie aus dem Maerchen
leise.
Eine
Sängerin trat vor. Sie hatte eine betörende Stimme, aber
Faye missfiel gründlich die Art und Weise, wie sie ihren
schlanken Körper aufreizend vor Tariq bewegte. "Deine
Chancen stehen gut", wisperte sie spöttisch. "Hier ist
eine Frau, die geradezu darauf brennt, in deinem Harem zu landen."
"Ich
habe aber keinen", erwiderte er.
"Sind
schon zu viele Frauen ausgebrochen? Das ist schlecht für das
Macho-Image."
"Noch
ein Wort und …"
"Und
was? Willst du mich dann zum Flughafen bringen lassen? Ich warne
dich, ich muss getragen werden, denn in diesem Kostüm kann ich
mich kaum auf den Füßen halten. Verrate mir eines –
schläfst du nur mit Jungfrauen?"
"Wie
kommst du denn darauf?" fragte er verblüfft.
"Ich
freunde mich allmählich mit dem Dasein als Konkubine an. Werde
ich eigentlich in einen Sack gesteckt und im Golf ertränkt,
sobald du meiner überdrüssig bist?"
"Ein
Sack wäre jetzt recht nützlich. Du willst, dass ich mich
entschuldige, oder?"
"O
nein, nicht einmal du könntest die Demütigung wieder
gutmachen, vor so vielen Leuten von einer Fremden zu hören, dass
man keine Jungfrau mehr sei. Ich fand das nicht nur seltsam, sondern
absurd und mittelalterlich."
Empört
umklammerte Tariq die Armlehnen seines Stuhls. "Wer hat das zu
dir gesagt? Wer war so dreist?"
Entsetzt
sah Faye ihn an. Er hatte die Stimme nicht gesenkt, und seine Augen
funkelten vor Zorn. "Um Himmels willen, beruhige dich!"
"Nachdem
du so beleidigt wurdest? Welcher Mann würde bei einem solchen
Affront ruhig bleiben?"
"Du
machst mich nervös."
"Sag
mir den Namen."
"Nicht,
solange du dich dermaßen aufführst. Es hat heute schon
genug Aufregungen gegeben."
"Meine
Ehre wurde verletzt", beharrte er.
Faye
schloss die Augen. Sie hatte an diesem Tag die Unterschiede ihrer
beider Kulturen mehrfach zu spüren bekommen. Seit ihrer Ankunft
in Jumar verstand sie die Welt nicht mehr. Es war ihr unbegreiflich,
wie man sie behandelte und wie Tariq sich verhielt.
Er
nahm ihre Hand. "Meine Ehre ist deine Ehre."
"Ich
habe keine Ehre, das hast du selbst gesagt", erinnerte sie ihn.
Tariq
sprang auf und hob gebieterisch die Hand. Sofort verstummte das
Orchester. Er äußerte einige Worte auf Arabisch. Dann
drehte er sich um, nahm Faye auf die Arme und trug sie, von
erstauntem Getuschel begleitet, aus dem Raum.
6.
Kapitel
"Es
sind schon wegen geringfügigerer Beleidigungen Kriege geführt
worden", erklärte Tariq, als er Faye die Gänge
entlangtrug. "Du scheinst nicht zu begreifen, wie hoch in meinem
Volk die Tugend einer Frau geachtet wird."
Wäre
sie seine Braut gewesen, hätte sie seinen Zorn verstanden, aber
so war sie völlig verwirrt über seinen Ärger. Sie
sollte seine Geliebte werden, und daran war nichts Respektables,
oder? Ihrer unmaßgeblichen Meinung nach war es ohnehin seine
Schuld, dass sie überhaupt beleidigt worden war. Es war purer
Wahnsinn gewesen, sie als Ehrengast in einer Schar von Frauen zu
bewirten, die sie für eine unmoralische Person hielten.
Ehrlicherweise musste sie allerdings zugeben, dass man sie –
mit Ausnahme seiner Cousine Majida – mit ausgesuchter
Höflichkeit behandelt hatte, was zweifellos an Tariqs Macht lag.
Woran sonst? Immerhin hatte sein verstorbener Vater über hundert
Konkubinen gehabt, und es war durchaus möglich, dass sein Volk
glaubte, eine einzige Geliebte sei der Beweis für Tariqs
Bescheidenheit und Selbstbeherrschung.
Nichtsdestotrotz
wurde sie gerade vor den Blicken aller in sein Bett getragen, vorbei
an unzähligen salutierenden Wachen und Dienstboten. Faye war
außer sich. Wie konnte er ihr so etwas antun? Nachdem sie
mehrere ineinander übergehende Räume durchquert hatten,
blieb er unvermittelt stehen und stellte sie behutsam auf die Füße.
Dann trat er einen Schritt zurück.
"Dass
du keine Jungfrau mehr bist, ist allein meine Sache", verkündete
er nachdrücklich.
Errötend
schaute Faye sich um. Sie stand in einem riesigen Zelt, das noch
üppiger ausgestattet war als ihr eigenes und von einem kunstvoll
geschnitzten Holzbett dominiert wurde, in dem mühelos sechs
Personen hätten schlafen können. Plötzlich schienen
Schmetterlinge in ihrem Bauch zu flattern.
Sie
zuckte zusammen, als etwas Metallisches an ihr vorbeiflog und im
Kopfteil des Bettes stecken blieb. Es war der ziselierte Dolch, den
sie zuletzt an Tariqs Gürtel gesehen hatte.
"Ich
werde mich schneiden und Blut aufs Laken tropfen", erklärte
er unnatürlich ruhig.
Widerstrebend
riss sie
Weitere Kostenlose Bücher