Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
intensiv mit ihr beschäftigen. Dann nämlich lief die Wette ab. Bis zu diesem Zeitpunkt musste er die Wahrheit erfahren.
Sie presste die Lippen aufeinander. »Das Gemälde in aller Öffentlichkeit zu erwähnen wird Sie nicht weiterbringen.«
»Ich darf ja nicht unter vier Augen mit Ihnen darüber sprechen. Oder hätte ich gestern Abend zu Ihnen aufs Zimmer kommen sollen?«
Er merkte ihr an, wie sie sich bei seinen Worten noch mehr versteifte, doch sie verlor nicht die Fassung. »Sie würden es nicht wagen, in die Räumlichkeiten einer Dame einzudringen.«
Er bedachte sie mit dem trägen Lächeln, das sie schon von ihm kannte. Ein rosiger Schimmer überzog ihre helle Haut, und die sanfte Glut auf ihren Wangen ließ die goldenen Flecken in ihren braunen Augen noch mehr leuchten.
»Sie würden es nicht wagen, in meine Räumlichkeiten einzudringen«, korrigierte sie sich.
»Warum nicht? Sie behaupten immerhin, dass Sie eine Frau sind, die unbekleidet für ein höchst anrüchiges Gemälde Modell gesessen hat.«
Sie ballte die Hände zu Fäusten und sah ihm jetzt direkt ins Gesicht. Er wusste, dass er besser damit aufhören sollte, sie zu provozieren, denn sie konnten jederzeit nicht nur beobachtet, sondern auch belauscht werden.
»Was meinen Sie damit, ich würde es behaupten?«, fragte sie leise. »Ich behaupte das nicht nur – es ist eine Tatsache.«
Er rieb sich das Kinn und runzelte die Stirn. »Merkwürdigerweise sagen Ihre Schwester und Ihre Cousine das Gleiche. Wirklich rührend, wie treu Sie zueinanderstehen und sogar einen Skandal und den Verlust Ihres guten Rufes in Kauf nehmen.«
War sie tatsächlich das Aktmodell? Julian, Peter und er waren an jenem Abend so betrunken gewesen, dass sie die Geschichte zum Gegenstand einer Wette gemacht hatten, bei der jeder auf eine Frau setzen musste. Einen Monat Zeit blieb ihnen, den Beweis zu finden. Wenn ihnen das nicht gelang, gewannen die Frauen, und die Männer mussten das Gemälde kaufen und es ihnen aushändigen.
Aber Leo war fest davon überzeugt, dass es so weit nicht kam. Es würde schon gelingen, ihnen das Geheimnis zu entlocken. Nur: Welche von den dreien war es?
Dass er auf Susanna gesetzt hatte, war eigentlich nur ein dummer Scherz gewesen. In jener Nacht nämlich wirkte ausgerechnet sie am verklemmtesten von allen. Erst als sie seine Intelligenz infrage stellte, stach ihn der Hafer. Es reizte ihn plötzlich ungemein, ihrer Arroganz einen Dämpfer zu versetzen. Inzwischen sah er sie mit anderen Augen: Er fand sie unterhaltsam und faszinierend. Und so verwirrend außergewöhnlich.
Seitdem hatte er mehrfach das Gemälde studiert, das an der Wand im Salon des Herrenclubs hing. Irgendetwas musste sich doch finden lassen, das sie überführte. Oder eine der beiden anderen. Und dann entdeckte er es – ein kleines Muttermal oben am Schenkel des Aktmodells. Es ging also vorrangig darum, eine Gelegenheit zu finden, ihre Schenkel in Augenschein zu nehmen. Und da gab es nicht viele Möglichkeiten. Die Sache begann ihm ernstlich Spaß zu machen.
Aus dem Salon drang der helle Klang weiblicher Stimmen zu ihnen herüber. Die Malschülerinnen trafen ein. Victoria Randolph und Aurelia Norton zögerten merklich und erröteten, als sie Leos Anwesenheit bemerkten, während Caroline forsch auf sie zukam. »Mr Wade«, sagte sie mit einem Lächeln, »gesellen Sie sich heute etwa zu uns?«
»Vielleicht tue ich das ja, wenn Sie mir sagen, was Sie genau vorhaben.«
Susanna zog nur eine Augenbraue hoch, während die anderen sich an ihren Staffeleien zu schaffen machten. Niemand antwortete ihm.
»Aha, eine Malstunde«, meinte Leo schließlich. »Ich dachte es mir schon. Miss Lelands zweckmäßiges Kleid hat es mir verraten.«
Er sah, dass sie ihn verwirrt anschaute. Merkte sie wirklich nicht, wie schlicht sie im Vergleich zu den anderen Frauen mit ihren rüschen- und spitzenbesetzten Gewändern gekleidet war? Beim Malen fand er das ja in Ordnung. Aber ansonsten? Vielleicht hatte sie sich deshalb vollständig für das Gemälde entkleidet, dachte er in einer Mischung aus Spott und Zynismus.
Er trat ein wenig zur Seite, um die jungen Damen nicht zu stören, verließ jedoch die Terrasse zunächst nicht. Er wollte sie bei einer Tätigkeit beobachten, bei der sie in ihrem Element war. Dass sie Talent besaß, würde außer böswilligen Schandmäulern niemand bestreiten. Sie war eine Künstlerin. Ragte weit über das hinaus, was junge Damen der Gesellschaft, die Malunterricht
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