Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
verzichtet hatte. Doch er forderte sie nicht ein.
Dabei hätte sie gerne weitergemacht, damit er sie im wahrsten Sinne des Wortes zu seiner Frau machte. Vielleicht würde sie dann aufhören, weiterhin Angst zu haben. Aber er umfasste nur ihre Taille, um sie herumzudrehen und die Haken ihres Kleides zu öffnen.
»Keine Sorge. Du hast gesagt, ich soll aufhören, und das tue ich dann auch. Ich will dir nur aus dem Kleid helfen.«
Verwirrt und irgendwie enttäuscht griff sie ihn an. »Dieses Kleid lässt sich sehr schwer ausziehen. War das deine Absicht?«
»Mrs Wade, Männer bevorzugen Kleider, die sich leicht ausziehen lassen.«
Fachmännisch öffnete er sämtlich Haken, sodass sie die elegante Abendrobe nach unten ausziehen konnte, während er auf der Chaiselongue lag und ihr zuschaute. Sie legte das Kleid über eine Stuhllehne und begann ihr Korsett aufzuschnüren. Freimütig und ohne Scham begegnete sie seinem Blick, hob das Kinn und schob das Korsett zusammen mit mehreren Unterröcken, deren Bänder sie ebenfalls gelöst hatte, nach unten. Leo verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch, als warte er ab, wie weit sie sich vorwagte.
Und plötzlich spürte sie, wie Mut, Selbstvertrauen und Zuversicht sie erfassten. Sie wusste, was sie tat, drehte sich zum Kleiderschrank und streifte ihr Hemdchen ab, sodass er ihren nackten Rücken über den Unterhosen sehen konnte. Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu, ehe sie sich das Nachthemd über den Kopf zog. Befriedigt nahm sie zur Kenntnis, dass sein Lächeln verschwunden war und er sich auf der Chaiselongue hochgestemmt hatte.
Sie lehnte sich mit dem Rücken an den Kleiderschrank und musterte ihn. »Hast du bemerkt, dass die Wyndhams kein Wort miteinander reden?«
»Nur du hältst tiefschürfende Unterhaltungen für unabdingbar, Susanna«, erwiderte er kurz und bündig, »besonders in Momenten wie diesem.«
Bislang hatte es Momente wie diesen für sie nicht gegeben, und eigentlich fand sie ihre Gespräche nicht gerade tiefschürfend. Im Grunde hatten sie nie über Dinge geredet, die ihnen wirklich am Herzen lagen, die sie im Innersten berührten. In der Hinsicht hielten sie sich beide gleichermaßen zurück. So störte es ihn sogar, wenn sie zufällig etwas über seine Kindheit erfuhr.
Vielleicht wollte sie ja ebenfalls nicht, dass er tiefer als bis zu ihrem Ausschnitt sah. Aber irgendwann würde sich dieser Machtkampf zwischen ihnen abschwächen und die Lust vielleicht genauso. Eines war ihr jedenfalls klar geworden: Je länger sie mit ihm zusammen war, desto mysteriöser wurde ihr Ehemann für sie.
Mitten in der Nacht wurde Leo keuchend und zitternd wach, richtete sich voller Entsetzen auf. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er wieder einmal einen seiner bösen Träume erlebt hatte. Neben ihm schlief Susanna ganz entspannt und ruhig, wie er im fahlen Licht des Mondes sehen konnte.
Da war wieder eine Leiche in seinem Traum gewesen, und dieses Mal hatte er auch Blut gesehen, viel Blut. Verlor er allmählich den Verstand? Oder wirkte der Traum so real, weil es sich um eine verdrängte Erinnerung handelte? Doch sosehr er sich auch den Kopf zerbrach, es wollte ihm nichts einfallen. Er war ein Narr, sich dermaßen von seinen Träumen verrückt machen zu lassen.
Um sich abzulenken, betrachtete er wieder seine schlafende Frau, und für einen Moment überkam ihn eine große innere Ruhe. Was war es, das ihn so zu ihr hinzog, wie er es noch bei keiner anderen Frau erlebt hatte? Warum war sie in der Lage, ihm Gedanken und Bekenntnisse zu entlocken, die er eigentlich mit niemandem teilen mochte? Er wollte mehr über sie wissen, verstehen, warum sie bislang unverheiratet geblieben war. Ihre verrückten Hobbys allein konnten nicht der Grund dafür sein, denn manche Männer hätten sich damit abgefunden. Wie er beispielsweise.
Und offensichtlich erging es ihr nicht anders. Auch sie wollte mehr über ihn wissen. Das Problem war nur, dass Männer nicht gerne über Gefühle sprachen und er schon gar nicht. Er wollte Vergangenes ruhen lassen, aber sie bohrte in Dingen herum, die ihr am Ende nur wehtun würden.
Und das war das Letzte, was er wollte. Er tat niemandem mit Absicht weh, es passierte nur immerzu. Wie bei ihr: Durch seine Gedankenlosigkeit hatte er ihr Schaden zugefügt, sie um ein Haar ruiniert und eine dramatische Wende in ihrem Leben herbeigeführt. Gegen ihren Willen.
Für ihn würde hingegen alles so weiterlaufen wie
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