Ein süßer Traum (German Edition)
Alles.«
»Ich hatte damit gerechnet.«
»Na dann – und jetzt immer mit der Ruhe. Wenn Sie stark genug sind, überlegen Sie sich, was Sie als Nächstes machen wollen. Ich hätte da ein paar Vorschläge.«
Und so legte Sylvia sich hin und begriff, dass sie in der Mission nicht zurückerwartet wurde. Und was passierte mit Clever und Zebedee?
Sie rief an. Ihre Stimmen, so jung, so verzweifelt. Helfen Sie mir, helfen Sie uns.
»Wann kommen Sie denn? Bitte kommen Sie.«
»Bald, sobald ich kann.«
»Jetzt, ohne Rebecca, ist alles so schwer …«
»Was?«
Und so hörte sie die Neuigkeit. Und legte sich auf ihr Bett und weinte nicht, denn dazu war es zu schlimm.
Sylvia lag aufgestützt in ihrem Bett und nahm nahrhafte Mittelchen zu sich, während Schwester Molly mit den Händen in den Hüften neben ihr stand und genau beobachtete, wie Sylvia aß. Und den ganzen Tag und noch so spät abends, wie es Simlias Bürgern, die früh aufstanden, möglich war, kamen Leute, die ein Andrew Lennox oder ein Tourist oder ein Verwandter auf Besuch oder jemand, der unter der weißen Regierung nicht erwünscht gewesen war, nie kennengelernt hätte. Auch Sylvia hatte solche Leute nie kennengelernt, bis jetzt.
Sie musste darüber nachdenken, dass es in Simlia zwar Orte wie Kwadere gab, viel zu viele, dass ihre Erfahrungen aber vielleicht auf ihre Weise so eng gewesen waren wie die von Leuten, die nicht glauben konnten, dass es Dörfer wie die St. Luke’s Mission gab. Immerhin gab es Schulen, in denen die Schüler, die zumindest Hefte und Bücher hatten, wirklich unterrichtet wurden, und Krankenhäuser mit Material und Chirurgen und sogar Forschungslabors. Ihr Wesen hatte dafür gesorgt, dass sie an den ärmsten möglichen Ort gelangt war: Das wurde ihr ebenso klar wie die Tatsache, dass es absurd war, sich über das Ausmaß ihres Glaubens oder über den Mangel daran aufzuregen.
Auf einer Ebene, die von den Botschaften und den Lounges des Butler’s Hotel und den Handelsmessen und den korrupten Bossen an der Spitze (die Schwester Molly »Schokoladentorte« nannte) weit entfernt war, gab es Leute, die von Einzelpersonen finanzierte Organisationen mit kleinen Budgets betrieben, und sie leisteten mit ihrem Geld mehr als Caring International oder Global Money in ihren Träumen; sie mühten sich an schwierigen Plätzen ab und sorgten für eine Bibliothek, Schutz für misshandelte Frauen, Vorräte für ein kleines Geschäft, oder sie gewährten kleine Darlehen von einer Höhe, die gewöhnliche Banken verachtet hätten. Es waren Schwarze und Weiße, Bürger von Simlia oder Ausländer, die dort lebten, und sie bildeten eine Ebene des energischen Optimismus, die sich ausdehnte und auf die kleinen Beamten und den niedrigeren öffentlichen Dienst übergriff, denn es hat nie ein Land gegeben, in dem man sich so sehr auf kleine Beamte verließ, die kompetent sind und nicht korrupt und die schwer arbeiten. Die meist nicht einmal bemerkt werden. Aber jeder, dem das klar war, suchte Hilfe in einem vergleichsweise bescheidenen Büro, das von einem Mann oder einer Frau geführt wurde, der oder die gerechterweise unverhohlen das ganze Land hätte führen müssen, und von diesen Leuten hing in Wirklichkeit alles ab. Das Haus von Schwester Molly und ein Dutzend ähnliche bildeten eine Ebene oder ein Netz der Vernünftigen. Über Politik wurde nicht diskutiert, nicht aus Prinzip, sondern weil es den Beteiligten nicht entsprach: In manchen Ländern ist Politik die Feindin des gesunden Menschenverstands. Wenn der Genosse Führer oder seine korrupten Spießgesellen überhaupt erwähnt wurden, dann so, als würde man über das Wetter reden – über etwas, mit dem man sich abfinden musste. Eine große Enttäuschung, der Genosse Präsident – auch nichts Neues.
Man präsentierte Sylvia ein Dutzend Möglichkeiten für ihre Zukunft. Sie war Ärztin, die Leute wussten, dass sie ein Krankenhaus im Busch eingerichtet hatte, wo es keines gab. Sie war mit der Regierung in Konflikt geraten, zu schade, aber Simlia war nicht das einzige Land in Afrika.
Ein Satz in unseren Geschichtsbüchern lautet ungefähr so: »Im späten 19 . Jahrhundert und während des Ersten Weltkriegs kämpften die Großmächte um Afrika wie die Hunde um einen Knochen.« Weniger oft liest man, dass um Afrika als Knochen im nachfolgenden 20 . Jahrhundert nicht weniger gekämpft wurde, wenn auch die Hundemeute nicht dieselbe war.
Ein jüngerer Arzt, in Simlia geboren (weiß), war
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