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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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ihm liegengelassen hatte. «Versuch noch ein wenig zu schlafen», riet er. «Ich gehe jetzt lieber, bevor uns noch jemand sieht.»

    «Madame?»
    «Komm rein, Chloë», sagte Beatrice.
    «Prinz D’Aubigny lässt fragen, ob Sie heute mit ihm ausreiten wollen?»
    «Ja», erwiderte Beatrice.
    Rasch wusch sie sich das Gesicht, dann ließ sie sich von Chloë in ihr dunkelgrünes Reitkostüm helfen. Es war kühler als die vorherigen Tage, aber die Luft war frisch und klar, und sie sehnte sich danach, aus dem Haus zu kommen. Chloë knöpfte ihr die Wildlederjacke zu, und dann eilte Beatrice auch schon die Treppen hinunter.
    «Guten Morgen, meine Schöne. Ich freue mich, dass du doch nicht den ganzen Tag verschlafen willst», begrüßte Alexandre sie lächelnd. Sie bemerkte, dass er Farbflecken an den Händen hatte. Und auch im Haar. «Wir wollen alle zusammen einen Ausritt in den Wald machen», sagte er. «Du kommst doch auch mit?»
    Beatrice gab ihm einen Kuss auf die Wange. «Wer ist alles dabei?»
    Als sie hörte, dass Seth nicht mit von der Partie sein würde, musste sie ihre Enttäuschung verbergen. Die Nacht kam ihr schon wieder vor wie ein Traum. Sie konnte kaum glauben, dass sie ihm wirklich von ihrer Hochzeitsnacht erzählt hatte. Nach der Vergewaltigung hatte sie sich so schmutzig gefühlt. Seth davon zu erzählen schien eine große Erleichterung, doch jetzt, bei Tageslicht, zog sich ihr der Magen zusammen. Was musste er nun von ihr denken?

    Seth stand auf der Schlosstreppe und sah zu, wie sich die anderen zum Aufbruch fertigmachten. Beatrice saß auf einem lebhaften Pferd und lachte laut über etwas, was Alexandre zu ihr gesagt hatte. Sie sah richtig froh aus. Seth konnte die Augen nicht von ihr losreißen. Er wäre am liebsten zu ihr gegangen, um sie vom Pferd zu heben, sie in sein Zimmer zu tragen und für immer in seinem Bett zu behalten. Sie ritt eine kastanienbraune Stute. Unter ihrem knöchellangen Rock sah er weinrote Stiefel, und dazu trug sie einen Hut mit Fasanenfedern. Die dramatischen Farben und die hitzige Energie des Pferdes spiegelten ihre Persönlichkeit perfekt, dachte er, und es versetzte ihm einen Stich in die Brust. Gerade lachte Beatrice wieder Alexandre an, und der Blick, den die beiden dabei tauschten, traf Seth in die Brust wie eine Kugel. Schließlich setzte sich die Gesellschaft in Trab und verschwand hinter einem Hügel. Er sah noch ein letztes Mal ihr rotes Haar aufleuchten, dann waren sie verschwunden.
    Nachdem er Beatrice am Morgen verlassen hatte, hatte er natürlich nicht einschlafen können. Auf dem Weg zu seinem Zimmer hatte er zudem wider alle Vernunft gehofft, sie würde ihn zurückrufen. Und während er durch den dunklen Flur gewandert war, hatte er hin und her überlegt, ob es wohl eine gute Idee wäre, zurückzugehen, an ihre Tür zu klopfen und ihr zu versichern, dass er sie durch seine Liebe all ihre hässlichen Erlebnisse für immer vergessen lassen würde.
    Mit einem tiefen Seufzer ging er in den Park. Am Morgen hätte er am liebsten sofort mit Lily geredet, um das unangenehme Gespräch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Doch als er sie dann traf, kam er ins Zaudern. Sie sah so blass und unglücklich aus, dass er beschloss, noch ein wenig abzuwarten.
    Vor sich hin murmelnd, warf er noch ein Stöckchen für die Hunde, die ihm auf den Fersen folgten.

    Das dumpfe Grollen am Horizont hatte schon so lange angedauert, dass keiner bemerkte, wie das Gewitter herankam – bis es in unmittelbarer Nähe des Schlosses losbrach. Die Windböen wurden immer heftiger, der Himmel färbte sich pechschwarz, und dann drosch von einer Minute auf die andere der Regen herunter. Alle Unternehmungen im Freien mussten rasch abgebrochen werden, und Vivienne befahl den Dienstboten, Feuer in den Kaminen zu machen.
    Ein paar Stunden später begann man sich ernsthafte Sorgen um die Reitgesellschaft des Prinzen zu machen. Höchstwahrscheinlich hatte das Unwetter inzwischen auch sie erreicht, und alle sorgten sich um ihre Sicherheit.
    «Da kommen sie», rief jemand.
    Seth atmete auf und zwang sich, sein ruheloses Auf-und-ab-Gehen zu unterbrechen. Sie war wieder zu Hause. Er ging in die Empfangshalle und sah die nassen, zitternden Reiter hereinkommen. Doch als er sich umsah, entdeckte er keine Beatrice.
    «Wir wurden getrennt», hörte er jemand sagen.
    «Der Rest kommt auch bald», sagte ein anderer. «In einen Baum ist ein Blitz eingeschlagen, und der Baumstamm fiel quer über den Weg.

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