Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
sah ihr in die verräterischen Augen. Sie waren so schön wie eh und je.
«Johan wird sich freuen, Sie zu sehen», sagte sie sanft. «Er hat sich schon Sorgen gemacht, dass Sie es nicht mehr rechtzeitig zur Trauung schaffen. Und Sie, Monsieur Denville?» Ohne jede Schwierigkeit wechselte Beatrice zurück ins Französische, und Seth fiel wieder ein, dass es ja ihre Muttersprache war. «Sind Sie auch ein Bekannter von Johan?»
«Oui, Mademoiselle Löwenström.» Jacques drehte sich im Sattel zu Seth um. «Darf ich vorstellen …»
«Das ist nicht nötig», fiel ihm Seth ins Wort. «Wir kennen uns bereits.»
Jacques bedachte ihn mit einem fragenden Blick, bevor er sich wieder Beatrice zuwandte. «Ah, très bien. Dann wissen Sie natürlich, dass Monsieur Hammerstaal nur ein unkultivierter Norweger ist, um den man sich nicht weiter kümmern sollte. Pardon, aber wie kommt es, dass Sie so ausgezeichnet Französisch sprechen? Ich dachte immer, die Schwedinnen sprechen heutzutage bloß noch Deutsch.»
Beatrice lächelte und wandte sich von Seth ab. «Wissen Sie, Monsieur Denville …»
«Ah, Mademoiselle Beatrice, nennen Sie mich doch Jacques, ich bestehe darauf!»
«Sie müssen wissen, Monsieur Jacques, dass meine Mutter Französin war …»
Seth hatte das zweifelhafte Vergnügen, hinter dem fröhlich plaudernden Paar herzureiten. Jacques schien jede Gelegenheit zu nutzen, ihr ein Kompliment zu machen oder etwas zu erzählen, was sie so laut zum Lachen brachte, dass man es durch den ganzen Wald hörte.
Seth hatte gewusst, dass sie sich auf der Hochzeit begegnen würden, das war unvermeidlich. Doch davor hatte er sich an seinen Plan gehalten, ihr aus dem Weg zu gehen, und er war sicher gewesen, mittlerweile resistent gegen ihren Anblick zu sein. Doch als er sie jetzt so wiedersah …
Er schluckte den Kloß im Hals. Beatrice war eine der unberechenbarsten Frauen, die ihm je begegnet waren, dachte er finster. Es sollte ihn nicht wundern, wenn sie im Wald auf einen Liebhaber gewartet hatte, als sie sie zufällig dort ertappten.
«Was haben Sie eigentlich im Wald gemacht?», fragte er ihren Rücken.
Jacques reagierte mit scharfem Protest auf den unhöflichen Ton, doch Beatrice zuckte nur mit den Schultern.
«Ich befürchte, er denkt furchtbar schlecht von mir», sagte sie zu Jacques.
«Das kann ich überhaupt nicht verstehen.»
«Wenn ich mich recht entsinne, hat er mir bei unserer letzten Begegnung gesagt, dass ich ihn langweile.»
Jacques fasste sich mit der Hand ans Herz. «Unmöglich!»
«O doch.»
«So eine Unhöflichkeit.»
«Nicht wahr?»
«Komisch, dass er Sie nie erwähnt hat», sagte Jacques und drehte sich im Sattel um.
Seth starrte sie immer noch an. Mit einer unbekümmerten Handbewegung wandte sich Jacques wieder Beatrice zu. « Alors , ich nehme an, ich muss mich ins Zeug legen, um die Unannehmlichkeiten wiedergutzumachen, die mein idiotischer Freund Ihnen bereitet hat.» Er beugte sich zu ihr hinüber, legte eine Hand auf ihre Zügel, und Seth spürte, wie der Zorn in ihm hochkochte. Jacques hatte absolut keinen Anlass, so nah neben ihr zu reiten. «Aber ich frage mich doch, wieso mein Freund sich Ihnen gegenüber so unhöflich betragen hat», fuhr Jacques nachdenklich fort.
«Ich bin nicht wie die Frauen, mit denen er sonst Umgang hat, schätze ich», antwortete Beatrice mit ihrer melodischen Stimme. Sie streckte den Rücken durch. «Sie wissen schon – weltgewandt, raffiniert und unglaublich herablassend.»
Jacques brüllte vor Lachen. «So langsam wird mir klar, warum er Sie vor mir verheimlicht hat.»
Seth trieb sein Pferd an, bis er neben ihnen ritt. «Hör endlich auf mit deinem Geschwätz, Jacques, wir sind da.»
Sein Freund sah ihn forschend an, sagte aber nichts.
Es gelang Seth, Beatrice bis zur Trauung aus dem Weg zu gehen. Der Hof war völlig überfüllt mit Hochzeitsgästen, so war es nicht schwer, auf Abstand zu bleiben. Er war überzeugt, dass er es aushalten würde, sich ein paar Tage lang am selben Ort aufzuhalten wie sie. Immerhin war er schon im Krieg und in Gefangenenlagern gewesen – was war eine einzige Frau verglichen mit solchen Schrecken?
Doch jetzt saßen sie in der Kirche. Nur wenige Bankreihen trennten sie, und ihre Gegenwart brannte ihm auf der Haut. Er zwang sich, sich auf die Zeremonie zu konzentrieren, und fragte sich zornig, wie lange es wohl dauern würde, bis sein Körper akzeptierte, dass Beatrice, die mit ihrem schmalen Rücken schräg vor ihm
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