Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
Vom Netzwerk:
ersten Mal in ihrem Leben wurde sie gebraucht.
    Dass eine sizilianische Familie ihn pflegte, erstaunte ihn. »Warum?, hatte er ganz zu Anfang mit aufgesprungenen Lippen gefragt, nachdem das Schlimmste vorüber war und sie wussten, dass er überleben würde. »Warum sorgt ihr für mich? Ich bin euch schrecklich dankbar. Aber warum habt ihr mir geholfen?«
    Behutsam wischte sie ihm das Gesicht mit dem Waschlappen ab. Seine Wangenknochen waren hoch und vorstehend, seine Stirn breit, und seine helle Haut spannte sich straff über seine Knochen. Und dann sein Mund … Die Unterlippe war voll und sinnlich, die Oberlippe ein ganz klein wenig schief, ein winziges bisschen asymmetrisch. Es war gerade diese Unvollkommenheit, die sie rührte und in ihr den Wunsch erweckte, ihn stundenlang anzusehen.
    »Meine Familie … Wir mögen die Engländer«, erklärte sie ihm. »Wir arbeiten für einen Engländer.« Und dann erzählte sie ihm stockend von Signor Westerman, von der großen Villa und den Gedichten, die er ihr vorgelesen hatte, als sie als Mädchen mit ihren Lappen und Staubwedeln durch seine casa gehuscht war.
    »Und wo ist er jetzt?« Der Flieger schaute sich um, als rechnete er damit, dass Signor Westerman jederzeit aus den Steinwänden auftauchen könnte.
    »Er ist nach England zurückgekehrt«, erklärte ihm Flavia. »Es war hier zu gefährlich.«
    Daraufhin nickte er, und sein Blick löste sich von ihr. Sie wusste, dass er an den Luftangriff dachte, an dem er beteiligt gewesen war. Den Luftangriff, der ihn hergebracht hatte. »Verdammter Krieg«, sagte er. »Er wird uns noch alle umbringen.«
    Er war ein guter Zuhörer – er konnte ja auch nirgendwo anders hingehen. Also sprach Flavia bei anderen Gelegenheiten, wenn nötig im Flüsterton, von ihrer Familie und ihrem Leben. Sie erzählte ihm Dinge, die sie bisher nur ihrer besten Freundin Santina verraten hatte. »Ich gehöre nicht hierher«, sagte sie. »Dieses Gefühl hatte ich schon immer.«
    »Und wohin gehörst du?«, neckte er sie.
    Aber sie wollte nicht, dass er über sie lachte. »Ich gehöre dorthin, wo ich leben kann«, erklärte sie ihm. »Wo ich frei atmen kann. Wo ich ich selbst sein kann.«
    Da nickte er verständnisvoll. »Du bist ein wunderbares Mädchen, Flavia«, sagte er. »Ich hoffe, dass du alles bekommst, was du dir wünschst, wirklich.«
    »Ich werde es bekommen«, gab sie zurück. »Wenn ich dafür kämpfe.« Sie war mutiger geworden; sie begegneten sich jetzt eher von gleich zu gleich.
    »Trotzdem«, sagte er, »sind deine Leute gute Menschen. Sie haben mir das Leben gerettet. Ihr alle habt das, verdammt. Vielleicht wirst du das auch so sehen, wenn du erst einmal ganz erwachsen bist.«
    »Ich bin kein Kind mehr.« Flavia richtete sich höher auf. »Ich bin siebzehn.«
    »Siebzehn, ja?« Er sah sie an und lächelte.
    Siebzehn, wurde Flavia klar, war nicht alt genug.
    »Vielleicht«, sagte er eines Tages zu ihr, »ist dieses andere Leben, nach dem du dich sehnst, nicht so schön, wie du es dir vorstellst.« Er betrachtete sie mit einem seltsam eindringlichen Blick aus seinen blauen Augen. »Unsere Träume scheinen immer so perfekt zu sein. Aber vielleicht ist das Gras auf der anderen Seite des Zauns auch nicht grüner.«
    Flavia hörte ihm zu. Was meinte er mit dem Gras auf der anderen Seite des Zauns? »Trotzdem würde ich es gern ausprobieren«, sagte sie. Denn natürlich träumte sie von dieser Art von Leben, wo einem der Weg nicht von anderen Menschen vorgezeichnet war. Aber wie hätte er das verstehen können? Er wusste so wenig über das Leben auf Sizilien.
    Nach und nach ging Flavia noch entspannter mit ihrem Piloten um. Sie begannen zusammen zu lachen. Er schien immer auf sie zu warten, und auf seinem Gesicht lag jetzt ein anderer Ausdruck, wenn er ihr zusah, wie sie sich durch das Zimmer bewegte, seine Sachen sauber machte oder ihm frisches Wasser ans Bett brachte. Er begann sie zu necken, ihr Geschichten zu erzählen, von England zu sprechen. Und wenn er von England redete, lag eine Sehnsucht in seinem Blick, die sie eifersüchtig machte.
    Dann, eines Tages, kam sie außer sich vor Wut in sein Zimmer gestürzt. Maria hatte sie gezwungen, die Kohlepfanne noch einmal zu putzen, obwohl sie die Pfanne schon gereinigt hatte und sie vollkommen sauber war. Aus reiner Bosheit. Nur, um sie daran zu hindern, zu ihm zu gehen, hätte sie fast gesagt. Aber sie tat es nicht.
    Er hatte sich im Bett aufgesetzt, und sie ließ sich neben ihm nieder.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher