Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (German Edition)
mit dem Wunsch, einen Verbrecher auf frischer Tat zu ertappen.
Vor kurzem hatte es eine Reihe von Banküberfällen gegeben, doch jedesmal war er falschen Informationen aufgesessen und war zu spät gekommen. »Ich steh’ wieder einmal da wie der letzte Idiot«, sagt er. Und die Kollegen lachen über ihn. Da faßt er den Plan nachzuhelfen. Scheinbar zufällig trifft er einen alten Bekannten aus der Armee, Abel, der zusammen mit anderen verkrachten Existenzen vom Schrotthandel lebt, mehr schlecht als recht. Er wisse von einem Amateur, der mit einem großen Coup rauskommen wolle, sagt er nachher zu seinem Chef. »Was für einem Coup?« »Das weiß ich nicht«, sagt Max. »Er übrigens auch noch nicht. Aber ich weiß, daß er es vorhat.« Und später: »Ich will ein glattes, sauberes Verbrechen mit einem Minimum an Risiko für uns. Man könnte ja nachhelfen.«
Er lernt Lilli kennen, Abels Freundin, die auf den Strich geht und der Star der Clique ist. Als nächsten Schritt in seinem Plan mietet Max eine Wohnung, in der er sich mit Lilli regelmäßig trifft. Er bezahlt sie fürstlich, will aber nichts von ihr. Er spielt mit ihr Karten, fotografiert sie, sie spielen, reden, lachen. Er gibt sich aus als Felix, der Bankier, Inhaber einer kleinen Bank, die aber ein, zwei Mal im Monat, wenn die Fleischgroßhändler kommen, viel Geld in der Kasse hat. »Mit vierzig muß man’s geschafft haben« sagt er. »Es gehört auch Glück dazu«, meint Lilli. »Glück – muß man selbst in die Hand nehmen«, sagt Max. Er schiebt ihr einen Stapel Banknoten zu. »Bedien dich. Soviel du willst.« Aus einem angeblichen Zeitungsartikel liest er ihr von einem Freund vor, dessen Bank ausgeraubt wurde. Halb so schlimm, sagt er: Banken sind versichert.
Die Saat geht auf. »Ich kann so nicht weitermachen«, sagt Lilli zu Abel. »Das große Geld liegt auf der Bank«, verteidigt er sich. »Dann knack doch ’ne Bank!«, sagt sie. Sie denkt an Felix und spricht zu Abel über den vermeintlichen Bankier und die großen Summen der Fleischgroßhändler. Eines Tages dann ruft Max sie an: Er müsse ihr nächstes Treffen verschieben, die Fleischgroßhändler kämen. Er nennt den Termin der vollen Kasse. Lilli gibt den Termin an Abel weiter. Er und seine Kumpel überfallen die Bank. Max und die Kollegen haben gewartet und verhaften die ganze Bande. Max hat sein glattes, sauberes Verbrechen bekommen. Endlich hat er jemanden auf frischer Tat ertappen können.
Täuschen
Max benutzt Lilli und die Jungs von der Clique: Sie dienen ihm als Instrument, um sich endlich einen Erfolg als Polizist zu verschaffen. Doch es ist anders als bei den Beispielen des Benutzens, die wir früher besprochen haben: Anders als die Zwergenwerfer macht Max Lilli nicht zum bloßen Ding, und obwohl er sie bezahlt, benutzt er sie nicht als Lustobjekt und macht sie nicht zur Ware. Die Raffinesse der Geschichte liegt darin, daß Max eine Frau, die es gewohnt ist, als Lustobjekt benutzt zu werden, auf eine viel subtilere Weise benutzt, die in ihr den Eindruck erwecken muß, überhaupt nicht benutzt zu werden. Er spricht mit ihr über alles mögliche, auch über persönliche Dinge und ihrer beider Leben. Sie lachen zusammen wie zwei Menschen, die arglos die gemeinsame Gegenwart genießen. Es sieht für Lilli so aus, als gäbe es zwischen Felix und ihr eine Begegnung: eine symmetrische Beziehung, in der sich beide gegenseitig als Subjekte sehen und anerkennen, als Wesen, die nicht nur Mittel zum Zweck sind, sondern Zwecke in sich selbst.
Doch all das ist Teil von Max’ Plan und besteht nur zum Schein: Ihm geht es einzig und allein darum, durch Lilli in den Jungs von der Clique die Absicht entstehen zu lassen, seine angebliche Bank auszurauben. Lilli ist letztlich nur die Übermittlerin von gezielter Information, eine bloße Vermittlungsstation, eine Art Relais. Was sie für sich selbst ist, unabhängig von dieser Rolle, darf Max nicht interessieren, es würde den Plan gefährden.
Und tatsächlich gerät der Plan in Gefahr, denn aus der bloß vorgetäuschten Begegnung droht auch für Max eine echte zu werden, und er muß sich gegen Lilli wehren, um das zu verhindern. »Wenn du willst, gibst du mir nichts mehr«, sagt Lilli eines Tages. »Ich möchte dich so sehen, ohne Geld.« »Ich glaube nicht, daß das richtig ist«, sagt Max abwehrend. »Du glaubst, du kennst mich. Du kennst mich überhaupt nicht, Lilli.« Und wütend: »Du kennst mich nicht!« Und auch gegen sich selbst muß er
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