Eine Braut zu Weihnachten
etwas erzählen, wovon ich nie gedacht hätte, dass ich es dir einmal sagen würde.«
Sinclairs Ton war plötzlich ernst geworden. Sebastian starrte seinen Freund verwundert an. »Und was ist das?«
»Wenn wir Karten spielen und du bluffst oder irgendetwas sagst, was nicht die ganze Wahrheit ist, zuckt ein Muskel an deinem Kinn. Das ist mir schon vor Jahren aufgefallen.«
»Warum hast du es mir dann nie gesagt?«
»Warum sollte ich?«, entgegnete Sinclair spöttisch.
Sebastian kniff die Augen zusammen. »Ich fürchte, dann schuldest du mir einige der Gewinne, die du mir im Laufe der Jahre abgenommen hast.«
»Du solltest froh und dankbar sein, dass ich meine Entdeckung nie weitergegeben habe. Und falls ich wegen meiner Gewinne Schuldgefühle habe, trage ich sie gern mit mir herum. Ich sage es dir jetzt auch nur, weil dein Muskel wieder zuckt.«
»Unsinn.«
»Was bedeutet, dass du entweder nicht ganz ehrlich bist mit deiner Behauptung, du wolltest diese Frau nicht benutzen, um die Anerkennung deiner Familie zu gewinnen, oder dass du bereits beschlossen hast, sie zu heiraten.« Sinclair nippte nachdenklich an seinem Brandy. »Ich bin mir nur nicht sicher, ob du mich oder dich selbst belügst.«
»Wie ich sagte, eine Heirat ist kein Schritt, den ich so einfach tun würde, um an ein Erbe zu kommen. Was die Frage angeht, ob ich Veronica heiraten würde …« Auch er wählte seine Worte mit Bedacht. »Im Laufe der Jahre hat es eine Reihe von Vorfällen gegeben – wir haben sie jedes Mal sehr ausführlich besprochen –, bei denen wir gezwungen waren, uns auf nichts als unseren Instinkt zu verlassen. Auf einen sechsten Sinn gewissermaßen, der uns bis jetzt noch nie im Stich gelassen hat.«
Sinclairs Augen wurden schmal. »Und?«
»Und nun sagt mir derselbe Instinkt, dass ich es bereuen werde, wenn ich diese Frau nicht für den Rest meiner Tage zu einem Bestandteil meines Lebens mache. Daher ist es also möglich, dass ich mich bereits entschieden habe. Das klingt verrückt, oder?«
»Allermindestens. Du kennst diese Frau doch kaum.«
»Nun, ich denke, dass die Ehe mir Gelegenheit geben wird, sie sehr viel besser kennenzulernen.«
Sinclair starrte ihn an. »Das klingt für mich, als hättest du dich schon entschieden.«
»Ja, wahrscheinlich ist es so.«
»Bist du verliebt in sie?«
»Vielleicht. Oder aber es fehlt nicht viel. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich an kaum etwas anderes denken kann, seit ich ihr das erste Mal begegnet bin.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe so etwas noch nie erlebt.«
»Noch nie?«
»Nicht, dass ich mich erinnern könnte.«
»Nicht einmal bei der Tochter des französischen Botschafters in Kairo?«
»Nein.«
»Oder bei dieser schönen Witwe in Algier?«
Sebastian erschauderte. »Du lieber Himmel, nein!«
»Oder bei der …«
»Nein«, unterbrach Sebastian ihn scharf. »Noch nie zuvor in meinem Leben.«
»Interessant.« Sinclair betrachtete ihn lange nachdenklich, und dann lächelte er und erhob sein Glas. »Dann wünsche ich dir viel Glück, mein Freund.«
»Das werde ich vermutlich brauchen. Es könnte gut sein, dass Veronica Smithson die größte Herausforderung darstellt, der ich jemals gegenüberstand.« Er warf seinem Freund ein Lächeln zu. »Andererseits jedoch vermute ich, dass sie auch das größte Abenteuer meines Lebens sein wird.«
Nur würde es überhaupt kein Abenteuer geben, wenn dieses verflixte Frauenzimmer beschlossen hatte, seine Einladung zu ignorieren.
Sebastian widerstand dem Bedürfnis, schon wieder aufzustehen und auf dem Gang vor der Loge nachzusehen, die er für heute Abend reserviert hatte. Er zwang sich jedoch, sitzen zu bleiben und scheinbar gelassen zu den sich füllenden Plätzen unter seiner Loge hinabzublicken. Veronica hatte nicht wirklich zugesagt zu kommen. Aber sie hatte auch nicht die beiden Eintrittskarten zurückgeschickt, die er ihr gestern hatte bringen lassen. Zwei natürlich. Sebastian verzog das Gesicht. Obwohl die Gesellschaft ihrer Tante beileibe nicht seiner Vorstellung von einem perfekten Abend entsprach, würde es vernünftig sein, übermäßige Spekulationen und Gerede zu vermeiden.
Seltsam, früher hatte er sich nie um Anstandsformen gesorgt. Er hatte aber auch noch nie zuvor ans Heiraten gedacht. Sinclair hatte recht – er war nicht ganz aufrichtig gewesen. Obwohl er sich nicht sicher war, ob es Liebe war oder nicht, hatte er doch das Gefühl, am Rand eines sehr tiefen Abgrunds zu stehen. Im Grunde war
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