Eine Braut zu Weihnachten
tatsächlich zu erscheinen.« Sie hob den Kopf und sah ihm offen in die Augen. »Ich habe versucht, ihr klarzumachen, dass sie nicht mitzukommen brauchte, aber sie bestand darauf, dass es unhöflich wäre, nachdem Sie so zuvorkommend waren.«
Sebastian starrte sie an. »Dann war es also gar nicht nötig, Ihre Tante einzuladen?«
»Komme ich Ihnen wie eine Frau vor, die auf einer Anstandsdame bestehen würde?«
»Nicht wirklich.« Trotzdem gehörte es sich so.
»Dann sollten Sie sich das merken«, sagte sie, bevor sie sich in einem Sessel niederließ und ihre Röcke glatt strich.
»Dann sind wir im Augenblick also noch allein?« Sebastian setzte sich neben sie.
»Wohl kaum.« Sie blickte sich um. »Wir sitzen zwischen hunderten von Menschen.«
Er verzichtete darauf, das Offensichtliche zu erwähnen: dass sie mit den Vorhängen zu beiden Seiten der Loge und den weit von der Brüstung entfernten Sesseln so gut wie vollkommen allein waren. »Schade, kann ich da nur wieder sagen. Ich bin sehr gern allein mit Ihnen.«
»Wir waren im Park allein«, erinnerte sie ihn. »Bis auf Henry natürlich.«
»Ah, aber es ist großer Unterschied, ob man am helllichten Tag allein im Park ist oder hier in den nur schwach erhellten Tiefen einer Theaterloge sitzt. Wer weiß, welch skandalöses Verhalten das bewirken könnte?«
»Tja, wer weiß das schon?« Sie schaute ihm prüfend in die Augen. »Haben Sie denn die Absicht, sich in skandalöser Weise zu verhalten, Sebastian?«
Er nickte. »Auf jeden Fall.«
Sie nickte freundlich. »Gut.«
»Gut?«
»Warum in Herrgotts Namen wäre ich sonst hier, wenn ich mich nicht ein bisschen skandalös verhalten wollte? Immerhin …«, sie beugte sich vor und ließ den Blick über die anderen Logen gleiten, »habe ich dieses Stück bereits gesehen.«
»Das hätten Sie mir sagen sollen.«
»Warum?«
»Wir hätten uns auch etwas anderes ansehen können.« In Wahrheit hatte er mehr das Theaterhaus als das Stück gewählt. Er war schon des Öfteren im Prince’s Theatre gewesen und wusste sehr gut, wie ungestört man dort in den Logen sein konnte.
»Wozu? Eigentlich ist doch keiner von uns des Theaterstückes wegen hier.« Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Oder doch?«
Er runzelte verwirrt die Stirn. »Nun ja, ich dachte …«
»Ach, kommen Sie, Sebastian, und seien Sie ehrlich: Wollten Sie wirklich The School for Scandal sehen?«
»Ich gehe gern ins Theater«, beharrte er, »und …«
Sie lachte.
»Na schön.« Sebastian beugte sich näher zu ihr. »Das Theater war nur ein Vorwand, um Zeit mit Ihnen zu verbringen und Sie auf akzeptable Art und Weise besser kennenzulernen.«
Ihr Blick glitt zu seinem Mund und dann wieder zu seinen Augen. »Haben Sie die Absicht, mich zu küssen?«
»Aber ja, natürlich.«
Ihre Lippen teilten sich. »Jetzt?«
»Nicht jetzt.« Er lehnte sich zurück in seinem Sessel. »Wir sollten abwarten, bis das Licht gedämpft wird, bevor wir einen Skandal riskieren.«
»Das enttäuscht mich aber«, sagte sie mit einem bedauernden Kopfschütteln. »Ich dachte, Anstand und Etikette kümmerten Sie nicht.«
»Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
Sie seufzte. »Wahrscheinlich hätte ich damit rechnen müssen. Sie sind ein sehr bekannter Mann, und Ihre Anwesenheit hier ist sicherlich nicht unbemerkt geblieben. Bei Ihrem Ruf genügt es schon, mich in Ihrer Gesellschaft zu befinden, um den Leuten Stoff für Gerede zu liefern. Im Hinblick auf Ihre Familie allerdings … Nun ja, wie ich schon sagte, ich hätte damit rechnen müssen. Und dass Sie meine Tante als Anstandsdame eingeladen haben, beweist mir nur, dass Sie, Sebastian Hadley-Attwater, offenbar ein Gentleman sind.«
»Mache ich gerade eine weitere Illusion zunichte?«
»Nein, im Grunde bin ich sogar erfreut.« Sie betrachtete ihn einen Moment lang. »Es ist mir sehr viel lieber, mit einem Gentleman, einem Mann von Ehre, in einen Skandal verwickelt zu werden, denn so endet alles sehr viel besser.«
»Ich fürchte, da muss ich Sie warnen: Mich interessiert kein Ende, sondern nur der Anfang. Unser Anfang.« Er zögerte und zwang sich zu einem beiläufigen Ton, als er fragte: »Und? Waren Sie mit vielen Gentlemen in Skandale verwickelt?«
Sie verzog belustigt ihren schönen Mund. »Und Sie beschuldigen mich , direkt zu sein.«
»Tja, wir passen eben hervorragend zusammen.«
»Und ich dachte, Portia hätte Ihnen alles erzählt, was es über mich zu wissen gibt. Vor allem, was das Thema
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