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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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in Maida Vale, wo er sich so unvorsichtigerweise mit Madeline Drew eingelassen hatte.
    Kell arbeitete an einem Plan, die deutschen Gefangenenlager mit Agenten zu durchsetzen, um sich über dort geführte Unterhaltungen zu informieren, da er sich davon neue Erkenntnisse versprach. Es gehörte zu Charles’ Aufgabengebiet, diese Informationen auszuwerten und zu analysieren. Er dachte auch jetzt oft an Madeline, erkundigte sich vorsichtshalber jedoch nur sehr beiläufig nach ihrem Verbleib. Aber während seines Gesprächs über Brasser ließ er eine Frage einfließen.
    «Gut, daß Sie mich fragen, C hat erst kürzlich eine Nachricht von ihr erhalten.» Kell erzählte ihm daraufhin, daß Nicolai angedeutet habe, daß sie nach England zurückkehren solle. Dann sprachen sie über Brasser, und Charles kam mit der erfreulichen Nachricht nach Hause, daß einem Treffen nichts im Wege stünde.
    Am folgenden Dienstag trafen sich Brasser und Mary Anne für eine Stunde. Charles war nicht anwesend, aber ein anderer MI5-Offizier saß dabei und der Dolmetscher, der im Haus in Maida Vale Dienst tat. MO5 war Anfang des Jahrs in MI5 umbenannt worden.
    Die Unterhaltung war steif, dennoch zeigte sich offensichtlich, daß die zwei jungen Leute sich sehr gerne mochten. Später erwähnte Kell dies Charles gegenüber und fragte ihn, ob Mary Anne in bezug auf Brasser von irgendwelchem Wert für MI5 sein könnte.
    Aber Charles hielt das für höchst unwahrscheinlich, auch schien er an der ganzen Sache plötzlich völlig uninteressiert zu sein. Kell war leicht beunruhigt.
    Der Grund war, daß Charles eines Abends versucht hatte, Mildred zu einem normalen Verhalten zu überreden, und ihr des längeren von Mary Annes Dankesbesuch bei Brasser erzählt hatte.
    Zuerst schien Mildred die Sache sehr ruhig aufzunehmen, aber als Mary Anne zum Essen herunterkam, überschüttete Mildred sie mit den übelsten Schimpfreden, nannte sie ein deutsches Liebchen und fragte höhnisch, ob Mary Anne ihrem Hunnen genauso zu Willen gewesen sei wie den anderen Patienten im Krankenhaus. «Frauen aus unserer Gesellschaftsklasse werden nur vergewaltigt, wenn sie es selbst wollen!» kreischte Mildred und fügte melodramatisch hinzu: «Du hast Schande über unsere Familie gebracht bis ins dritte und vierte Glied.»
    Charles versuchte zu protestieren und seine Tochter gegen die hirnlosen Anklagen zu verteidigen, mit dem einzigen Erfolg, daß Mildred sich noch wilder gebärdete. Sie schrie, sie könne nicht einen Tag länger mit einer Frau wie Mary Anne unter einem Dach leben, sie wolle nicht, daß Mary Anne ihren Sohn infiziere, und brach in hysterisches Weinen aus.
    Mary Anne versuchte mit Tränen in den Augen, ihrer Mutter gut zuzureden. Aber schließlich verlor sie die Geduld, lief aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu, während ihr Vater versuchte, ihre Mutter zu beruhigen.
    Als Charles Mildred schließlich halbwegs besänftigt hatte, ging er in den ersten Stock, um sich um seine Tochter zu kümmern. Aber das Zimmer war leer. Der Schrank stand offen, und er konnte sehen, daß ein Teil der Kleider und Mary Annes Koffer fehlten.
    Er rief sofort Kell an, der mit Thomson sprach. Diskrete Nachfragen wurden angestellt und Beschreibungen an die Streifenpolizei verteilt. Dann setzte sich Charles mit Andrew, Margaret, Giles und Sara in Verbindung, doch keiner hatte von Mary Anne gehört. Charles war wütend auf Mildred. Nicht nur war ihm die ganze Sache der Familie gegenüber peinlich, vor allem fand er, seine Frau hätte sich unerhört benommen. Er sagte ihr, es sei wohl an der Zeit, daß sie einen Arzt konsultiere.
    Mildred lachte laut auf, zog sich ihren Mantel an und ging in die Kirche, um für ihre Hurentochter zu beten.
    «Nun, Dick, meine herzlichen Glückwünsche.» Sie saßen nach dem Abendessen in Giles Railtons Wohnzimmer in Eccleston Square. Denise hatte Kaffee und Kognak gebracht. Dick Farthing war Giles’ diktatorisches Verhalten seiner Enkelin gegenüber reichlich peinlich. Sie hatte zwar die Mahlzeit mit ihnen eingenommen, aber ansonsten behandelte Giles sie wie eine unbezahlte Haushälterin.
    «Vielen Dank!» Dick lachte. «Ich hätte Sie vermutlich um Erlaubnis oder so was bitten sollen.» Er hatte immer gefunden, daß hochgestellte Leute wie Giles Schmeicheleien nicht abgeneigt waren.
    «Wohl kaum.» Die Antwort war wie eine kalte Dusche. «Sara tyrannisiert alle Railtons. Eine äußerst schwierige Situation für eine so altetablierte Familie wie

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