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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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Stoffschichten nur zu bewusst, die ihr einziger Schutz gegen die Nacktheit in dieser unvertrauten männlichen Welt waren.
    James las ein Buch. Er hatte die langen Beine auf das Sofa gelegt, sprang jedoch auf, als sie das Zimmer betrat. Ausnahmsweise kam keine sarkastische Bemerkung. Stattdessen sah er sie fast verlegen an. »Mrs Vine bringt gleich den Tee.«
    Sie setzte sich vorsichtig auf den angebotenen Platz neben ihm auf dem Sofa. »Was muss sie nur denken, dass ich in Jungenkleidern aufkreuze, ein Bad brauche und sie mir frische Sachen geben muss, und auch noch ein Nachthemd!«
    »Wahrscheinlich ist das Nachthemd das Einzigehier, das dir so einigermaßen passt. Und selbst darin ertrinkst du ja fast!«
    »Tja, vielleicht solltest du dir einen Vorrat an Damenkleidern zulegen, nur für alle Fälle.«
    Er musste grinsen. »Hast du vor, öfter vorbeizukommen? Oder willst du nur herausfinden, wie oft ich halb nackte junge Damen empfange?«
    Sie wurde knallrot. »Weder noch!«
    »Wirklich? Klang aber ganz nach dem einen oder anderen für mich.«
    Das war der James, den sie kannte. Trotz seiner Neckereien   – oder womöglich gerade deswegen   – fühlte sie sich auf einmal viel weniger unwohl. »Ich bin sicher, dass du unzählige halb nackte junge Damen triffst, sie aber nicht hierher mitbringst, aus Angst, was dein Bruder sagen könnte.«
    »Unglaublich. Meine Bemerkung sollte doch bewirken, dass du einen Eifersuchtsanfall bekommst.«
    »Ich dachte, das hätte ich schon neulich Abend in deinem Büro hinter mich gebracht.«
    »Kann man so sagen. Du machst dir also wegen Nancy keine Sorgen mehr?«
    »Nein.« Das stimmte auch. In diesem Moment und in seiner Gesellschaft schien es sogar lächerlich, dass sie das je getan hatte.
    Er hatte sich auch gewaschen und Krawatte und Jackett abgelegt. Sie hatte keine Ahnung, ob er das gemacht hatte, damit sie in ihren provisorischen Hüllen weniger befangen war, oder ob er vorhatte, sich noch weiter auszuziehen. Bei der Vorstellung erschauertesie, obwohl sie keine Angst hatte. Zumindest nicht in der üblichen Art.
    »Dein Haar.« Er berührte die kurzen Strähnen. »Hat es dir leidgetan, es abzuschneiden?«
    Sie schüttelte den Kopf, nur ganz schwach, damit er seine Hand nicht zurückzog. »Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Es hat einfach sein müssen.«
    »Dauert es lang, bis es nachwächst?«
    »Das glaube ich nicht, es wächst so schnell.«
    »Mmm.« Seine Finger glitten tastend über ihren Nacken. »Das hier ist ein Schwachpunkt an deiner Jungenverkleidung, weißt du das?«
    »Was, mein Hals?« Selbst ihr ungläubiges Erstaunen klang atemlos.
    Er lächelte. »Zu lang. Zu schlank. Und«   – er beugte sich vor und küsste ihr Schlüsselbein   – »lange nicht schmutzig genug.«
    Sie prustete los. »Beklagst du dich darüber?«
    Mrs Vine trat ein mit einem beladenen Teetablett. Sie stellte es ab und wandte sich Mary zu. »Entschuldigen Sie, Miss Quinn, aber als ich Ihre Hose waschen wollte, habe ich das hier in der Tasche gefunden. Wollen Sie es behalten?«
    »Das hier« war das zerknüllte Stück Papier, das sie Reid am Nachmittag entwendet hatte; die Sache, nach der sie ihr Gedächtnis abgesucht hatte, ehe ihr Schwips und James jeglichen Verstand aus ihrem Bewusstsein vertrieben hatten. Sie ergriff es mit einem viel zu lauten: »Ja, vielen Dank!« Bestimmt konnte man ihr ihren Schrecken ansehen. Doch Mrs VinesGesicht blieb so ausdruckslos wie immer. Sie neigte nur den Kopf, dann verließ sie das Zimmer mit raschen, geräuschlosen Schritten.
    »Was ist das?«
    Statt einer Antwort entfaltete sie den Zettel vorsichtig. Es war ein kleiner zerknitterter Briefumschlag mit eingerissenen Rändern, schmutzig vom vielen Anfassen. »Das ist Reid heute Nachmittag im Pub aus der Tasche gefallen.«
    »Rausgefallen? Oder hast du nachgeholfen?«
    Sie grinste. »Nein, ich hab’s ihm nicht gestohlen. Aber ich hab’s ihm auch nicht zurückgegeben.« Sie drehte das Stück Papier um und deutete auf das Bleistiftgekritzel in einer Ecke des Umschlags. Es handelte sich um ein einfaches Muster schmaler Dreiecke, die alle schraffiert waren. »Kommt dir das bekannt vor?«
    James schluckte heftig. Nach einem Augenblick nickte er offensichtlich widerstrebend. »Das schließt den Kreis.«
    »Wirklich?« Sein unglücklicher Ausdruck gefiel ihr gar nicht.
    »Ganz bestimmt«, sagte er unwirsch. »Es würde ihn vor Gericht nicht überführen, aber diese Zeichen   – die sind eindeutig.

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