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Eine Lady von zweifelhaftem Ruf

Eine Lady von zweifelhaftem Ruf

Titel: Eine Lady von zweifelhaftem Ruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeline Hunter
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am Waschtisch und reinigte sich von der Straße und dem Regen. Er kam ihr genauso schön vor wie an jenem Morgen, nachdem sie in das Haus in der Wells Street gezogen war. Er war schlank und stark und wirkte trotz ihrer geteilten Intimität noch geheimnisvoll genug, um ihr Herz bei seinem Anblick schneller schlagen zu lassen. Sie hatte gelernt, dass sich hinter seiner geheimnisvollen Ausstrahlung nicht nur gute Dinge verbargen, aber heute Nacht wollte sie nicht darüber nachdenken. Ihr war nur wichtig, dass seine Gegenwart sie auf so viele verschiedene Arten wärmte und die Celia wiederaufleben ließ, die jung und sinnlich war und keine Angst vor der Welt hatte.
    Sie beobachtete ihn, während er sich abtrocknete. In ihr erwachten Erregung und Freude, als er sich umdrehte. Seine feuchten dunklen Locken fielen ihm in die Stirn. Er sah sie an.
    »Ich habe hier drin Geräusche gehört. Ich dachte, dass Verity vielleicht auch zu Besuch ist«, sagte sie.
    Seine dunklen Augen wirkten so wie immer – zu wissend, zu durchschauend, und sie boten eine überwältigende Vertrautheit an, die nur zu einem Ziel führen konnte.
    »Du hast nicht geglaubt, dass es Verity ist, Celia.«
    Vielleicht nicht. Vielleicht hatte sie gehofft, dass das Zimmer von der einzigen anderen Person benutzt wurde, die in dieser Nacht nicht in dieses Haus gehörte.
    »Hast du nicht gehört, wie ich die Tür geöffnet habe, Jonathan? Ich dachte, dass du dafür ausgebildet bist, diese Dinge immer zu bemerken.«
    »Ich habe dich gehört. Ich habe nur darauf gewartet, ob du dich zum Bleiben oder Gehen entschließt.«
    Sie hatte es zuvor nicht getan, aber nun hatte sie sich entschieden, oder nicht? Er hatte die Entscheidung zu seinen Gunsten beeinflusst, indem er zugelassen hatte, dass sie ihn beobachtete. Das tat er immer noch, indem er halb nackt vor ihr stand und sein Körper vom Schein des Kaminfeuers sanft geformt wurde. Die Erinnerung an seine muskulösen Arme, die sie umgaben – sie umarmten, sie stützten, sie beherrschten –, ließen sie innerlich erschauern. Nicht nur aus Lust, sondern auch wegen der Sicherheit und des Trosts, den sie bei ihm empfand.
    Wenn sie in ihr eigenes Bett zurückkehrte, wartete dort nur betäubender Schmerz auf sie. Doch sie bevorzugte die Art, wie sie in diesem anderen Zimmer wieder zum Leben erwacht war. Zwischen ihm und ihr war noch viel ungeklärt, aber sie nahm an, dass er auf eine Art und Weise verstand, was sie momentan fühlte, die Daphne niemals nachempfinden konnte.
    »Ich werde wohl bleiben.« Sie ging zum Bett und kletterte hinein.
    Er zog seine übrige Kleidung aus und stieg dazu. Dann legte er seine Arme um sie und zog sie fest an sich.
    »Du hast nicht geweint, oder?«, fragte er. »Den ganzen Weg hierher nicht und auch nicht seitdem, glaube ich.«
    »Tränen werden nichts ändern. Es ist so, wie es ist.«
    »Vielleicht solltest du es trotzdem versuchen. Es ist kein gutes Zeichen, wenn wir anfangen, Verluste ohne Trauer zu akzeptieren.«
    Sie fand seinen Ratschlag seltsam und doch potenziell weise. Vielleicht wurde dieses betäubte Gefühl irgendwann verlockend, weil es einen vor Kummer bewahrte. Vielleicht hinterließ es Überreste, die sich mit der Zeit anhäuften, bis man irgendwann Schwierigkeiten hatte, überhaupt noch etwas zu fühlen.
    »Weinst du, wenn du traurig bist, Jonathan?« Sie konnte es sich nicht vorstellen.
    »Männer weinen eher selten, wenn sie traurig sind. Stattdessen betrinken sie sich. Oder sie sind auf eine Schlägerei aus und verprügeln jemanden oder lassen sich verprügeln.«
    »Dann kannst du mir keinen Rat geben. Wenn du Enttäuschungen ohne Tränen bezwingen kannst, warum sollte es für mich anders sein?«
    »Weil du keine Erfahrung darin hast, dich zu prügeln oder dich volllaufen zu lassen?«
    Sie musste lachen. Es fühlte sich seltsam an, wie dieser Klang aus der Leere in ihr heraufstieg.
    Er küsste sie auf ihren Haaransatz. »Das letzte Mal habe ich vor fünf Jahren geweint. Ich war an der Küste unterwegs, und ein Unfall während einer Mission führte zum Tod eines Jungen, der mir dort als Führer diente. Ich war so an die Risiken gewöhnt, dass ich kaum mehr über sie nachdachte. Ich hatte so viel Tod gesehen, dass es mich kaum berührte. Aber dieser Junge … es war ein großer Schock. Als ob es wie ein Schwert meine in Stahl gehüllte Seele durchstoßen würde.«
    »Das muss furchtbar gewesen sein.«
    »Sein Tod war es. Meine Reaktion hingegen … ich wage es kaum zu

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