Eine Liebe fürs Leben
muss er ja sehr flexible Arbeitszeiten haben“, murmelte er gedehnt. „Wenn er es schafft, jedes Mal aufwendig zu kochen, wenn du kurz nach halb sechs nach Hause kommst.“
Warum war ihr schon im Voraus klar gewesen, dass er nur darauf abzielte, sie zu beleidigen? Sein überdimensioniertes Ego konnte vermutlich nicht ertragen, dass sie den perfekten Mann gefunden hatte.
Sie seufzte übertrieben, was ganz so klang, als würde sie ihn bedauern. „Ach, weißt du, Riccardo, eine tolle Karriere ist nicht das Wichtigste im Leben. Deine Seele für ein dickes Bankkonto zu opfern … das ist die Verhaltensweise eines Dinosauriers! Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Mittlerweile haben die Menschen erkannt, dass es um mehr geht als nur um luxuriöse Urlaube und große Autos! Und Ben ist absolut ein Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Er teilt seine Zeit so ein, dass er die Dinge tun kann, die er wirklich genießt.“
„Kochen … und was noch? Putzen, bügeln und nähen?“
Charlotte weigerte sich, diese erneute Beleidigung zur Kenntnis zu nehmen. „Sehr witzig, Riccardo. Dir mag es ja Spaß machen, zwanzig Stunden am Tag zu arbeiten, damit du immer noch mehr Geld verdienen und wunderschöne alte Häuser kaufen kannst, für die du dich nicht im Geringsten interessierst. Aber was Ben angeht, so finde ich, dass er das wahre Geheimnis des Glücks erkannt hat. Er nimmt sich Zeit für die kleinen Freuden des Lebens.“
„Und damit bist du zufrieden?“ Riccardo lachte kurz. „Ich kann es nicht glauben!“ Er arbeitete verdammt hart und genoss es. Nicht wegen des Geldes. Mein Gott, er hatte mehr davon, als er jemals ausgeben konnte! Er genoss es, weil es sein Blut erhitzte und er sich dabei lebendig fühlte.
„Nun, mir ist ziemlich egal, was du glaubst. So, und wenn du jetzt nichts dagegen hast, dann würde ich gerne fahren. Zu dem wundervollen Essen, das auf mich wartet. Und zu einem Mann, der weiß, dass es mehr im Leben gibt als ein dickes Bankkonto!“
Charlotte schlug die Tür zu, fuhr davon und hatte das Gefühl, nicht nur die Schlacht, sondern den Krieg gewonnen zu haben. Es war ihr gelungen, sich als moderne junge Frau zu präsentieren, die ihr Leben fest im Griff hatte und wusste, worauf es ankam. Ja, sie fühlte sich so gut, dass sie den Song im Radio mitträllerte. Doch schon nach kurzer Zeit ließ die Euphorie nach, und sie erkannte, dass sie gar nichts gewonnen hatte.
In Wirklichkeit gab es keinen umwerfenden Verlobten, der jeden Abend ein fantastisches Dinner für sie zauberte. Sie wusste nicht mal, ob Ben ein Ei kochen konnte! Bislang waren sie immer ins Restaurant gegangen, und ja, sie verabscheute Männer, deren einziges Ziel im Leben darin bestand, Geld zu scheffeln. Aber das bedeutete andererseits, dass sie sich selbst die Finger krumm arbeiten musste, um für sich und Gina einen anständigen Lebensstandard zu ermöglichen. Also wo genau befand sich dieses tolle Leben, das sie so stolz beschrieben hatte? Ziemlich weit entfernt am Horizont!
Und hätte sie ihm von Gina erzählen sollen? Allein der Gedanke erfüllte sie mit Entsetzen. Wer wusste schon, was er tun würde? Vielleicht würden sich seine italienischen Gene bemerkbar machen, und er würde ihr das Kind wegnehmen. Schließlich verfügte er über grenzenlosen Reichtum – ein möglicherweise schlagendes Argument vor Gericht. Charlotte schauderte.
Am nächsten Morgen würde sie Aubrey anrufen, um ihm zu sagen, wie die Besichtigung gelaufen war. Dabei würde sie die Identität des Interessenten enthüllen und ihn zur Verschwiegenheit in puncto Gina verpflichten. Nur für den Fall, dass Riccardo irgendwelche Fragen über sie stellen sollte. Sie bezweifelte das zwar stark, aber sicher war sicher …
Sie wollte lieber für alle Eventualitäten gerüstet sein.
4. KAPITEL
Charlotte stütze ihr Kinn auf der Hand auf und schaute Ben aufmerksam an. In den letzten zwei Wochen grenzte seine Freundlichkeit beinahe schon an Langeweile. Dennoch war sie fest entschlossen, ihn nicht langweilig zu finden. Freundschaft war schließlich die Basis jeder guten Beziehung. Schmetterlinge im Bauch, sexuelle Anziehung – all das wurde überbewertet, wie sie ja schon einmal schmerzhaft festgestellt hatte. Sie und Ben standen im Begriff, eine echte Beziehung zu führen. Zwar hatten sie noch nicht miteinander geschlafen, sich aber schon ein paarmal geküsst. Natürlich wollte Ben gerne mehr. Doch sie hatte ihm deutlich gemacht, dass es dazu noch zu
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