Eine riskante Affäre (German Edition)
nicht vom Alkohol.« Oder vielleicht doch. Was momentan, ehrlich gesagt, schwer zu beurteilen ist.
»Warum sind Sie nicht im Bett? Sie sehen aus, als wären sie dem Leichentuch entsprungen.«
Wenn man sie gefragt hätte, so wäre sie davon ausgegangen, dass sich ein vornehmer Herr einigermaßen höflich gegenüber der Person verhielt, die er die Nacht zuvor nackt in seinem Bett gehabt hatte. Wie sich herausstellte, waren solche Herren rotzfrech. Man lernte doch nie aus. Jess machte sich daran, mit der Messerspitze die Rosen auf dem Rand ihres Tellers nachzuzeichnen.
»Ihre Gesichtsfarbe gefällt mir nicht. Ist Ihnen schwindelig? Sehen Sie verschwommen?« Er nun wieder, mimte den Doktor!
»Mir geht’s gut. Es stimmt, was Sie gestern Abend gesagt haben. Nur etwas Geduld, dann würde mein Gedächtnis zurückkommen, vollständig.« Sie unterließ es, sich die Stirn zu reiben. Er brauchte nicht zu wissen, wie sehr es dort drinnen schmerzte. »Das meiste davon zumindest.«
»Es muss beängstigend sein, wenn man Dinge über sich selbst vergisst.« Eunice stellte die Teekanne ab. »Erinnern Sie denn jetzt, was mit Ihnen geschehen ist?«
»Nur schwach.«
Doch sie entsann sich des Kampfes. Die Gasse lag grau im Regen und war rutschig. Sie kamen aus dem Nebel und der Kälte und gingen auf sie los. Kennetts Messer sauste wie ein roter Blitz umher und beschützte sie vor den Schattengestalten. Er raste vor Wut, war doppelt so gefährlich wie die Halunken, die sie angriffen, ein zähnefletschender Wachposten, an dem kein Gegner vorbeikam. Beeindruckend. Jedenfalls war sie höchst angetan.
»Sebastian erzählt mir nie, was er so treibt«, erklärte Eunice. »Ihm wird selten langweilig, nehme ich an.«
»Auf alle Fälle war die gestrige Nacht sehr interessant. Er konnte ein Dutzend Männer dazu überreden, mich nicht in eine Gasse zu verschleppen. Wirklich heldenhaft.«
»Was nicht notwendig gewesen wäre, wenn Sie sich von der Katherine Lane ferngehalten hätten«, erwiderte der Kapitän schroff.
Vor ein paar Jahren hätte sie ihm dafür die Zunge rausgestreckt. Aber sie war keine Straßengöre mehr, also widerstand sie dem Drang. »Ich kann mich nicht an alles erinnern, doch mir schwant, dass ich nur noch dank Ihnen am Leben bin. Ich stehe in Ihrer Schuld.«
»Sie müssen nicht dankbar sein.«
»Wenn Sie meinen, dass Ihnen jemand, der so tief in Ihrer Schuld steht, dankbar ist, dann sind Sie kein guter Kaufmann.«
Damit hatte sie einen Volltreffer gelandet. Kennett verbiss sich einen Kommentar, der es in sich gehabt hätte, hätte seine Tante nicht mit am Tisch gesessen. Wer weiß, welche Worte sie am Ende noch gewechselt hätten, wäre nicht genau in diesem Augenblick die Tür zum Frühstücksraum geöffnet worden.
Ein Mann – groß, dunkelhaarig und auf weichliche Art recht ansehnlich – kam hereingeschlendert und stimmte ein Klagelied an. »Wir sind zum Ziel einer Invasion geworden. Dieser Waliser und seine Leute sind dabei, unter lautem Geschrei Kisten aufzubrechen. Der Lärm hat mich nach unten getrieben.« Das affektierte Gejammer hielt an, als er sich seinen Weg durchs Zimmer bahnte. »Standish hat Berge von Töpfen im gesamten Salon verteilt. Ich habe ihm gesagt, dass ich jede Tonware, die in mein Schlafzimmer wandert, für mein Schießtraining verwende. Er ist also gewarnt.« Da bemerkte er sie und hatte den nächsten Grund, sich zu beklagen. »Kannst du mich nicht das nächste Mal warnen, wenn du von nun an vorhast, diese Mädchen zum Frühstück mitzubringen. Ich bin kein Freund von Überraschungen.«
Der Kapitän angelte sich einen Muffin aus dem Korb in der Mitte des Tisches und warf ihn von einer Hand in die andere. Er lehnte sich entspannt zurück und begnügte sich damit, die Szene mit ausdrucksloser Miene und unter dem Tisch ausgestreckten Beinen zu beobachten.
»Quentin«, mahnte Eunice.
Das also war Quentin Ashton. Quentin war eine weitere Person, die Jess aus den Unterlagen in ihrem Büro kannte. Er war Sebastians Cousin. Der direkte Anwärter auf den Grafentitel, den der Kapitän nicht erben würde, da Kennett im wahrsten Sinne des Wortes ein Bastard war.
Quentin Ashton schlenderte herbei. »Liebste Tante, du kannst nicht sämtliche Armen von London retten, ein verkorkstes weibliches Wesen nach dem anderen. Ich wünschte, ich könnte dir das klarmachen. Du versuchst, das Meer mit einem Teelöffel trockenzulegen. Was wir brauchen, ist ein Regierungswechsel.« Er stand da und ließ den
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