Eine unmoralische Affäre
übliche Zeit nach Hause.«
Katherine verwünschte Jace, ihre eigene Hilflosigkeit und die oberste Stufe, an der sie sich die Zehe stieß, als sie wutschäumend in ihr Apartment stampfte. Zum Glück stand Happys Wagen nicht in der Einfahrt. Wahrscheinlich hatte sie Allison mit zum Einkaufen genommen. Somit hatte Katherine eine kurze Verschnaufpause, um ihr Problem zu überdenken und ihre geschwollene Zehe zu kühlen.
Dass sie sich auf das Doppelbett warf und in Tränen ausbrach, kam gar nicht in die Tüte. Die kühl gefasste und psychisch stabile Katherine Adams erlaubte sich keine heftigen Gefühlsausbrüche. Aber dieses Mal war bestimmt ein Sonderfall, oder? Sie hatte sich noch nie so mies und gedemütigt gefühlt.
Jace hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er schon einmal verheiratet gewesen war. Wie lange waren er und Lacey zusammen gewesen? Lag ihre Trennung schon länger zurück? Warum hatten sie sich scheiden lassen? Lacey hatte als Grund angedeutet, dass er sich Kinder wünschte, zu einem Zeitpunkt in ihrer Ehe, als Familienplanung für sie noch nicht Thema gewesen war. War Jace dermaßen vernarrt in Kinder, dass er sie, Katherine, geheiratet hatte, um das Sorgerecht für Allison durchzusetzen? Wollte er Lacey damit gleichzeitig eins auswischen, weil sie damals
kein Kind von ihm gewollt hatte? War das sein Motiv für diese Scharade gewesen?
Sie umarmte das Kissen, das nach ihm duftete, vergrub das Gesicht in der weichen Fülle und schluchzte seinen Namen. Wieso hab ich mich bloß in ihn verliebt?, schniefte sie. Sie hätte es schließlich besser wissen müssen. Die wahre Liebe existierte bloß in den Köpfen von Dichtern und Träumern. Im wirklichen Leben konnte es sie nicht geben.
Sie konnte sich nicht entsinnen, ob ihr Vater sie geliebt hatte, obwohl sie bestimmt ein Wunschkind gewesen war. Grace Adams hatte sich nach dem Tod ihres Mannes plötzlich mit der Verantwortung für sich und ihre beiden Kinder konfrontiert gesehen, und das zu einem Zeitpunkt, als Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen beruflich stark benachteiligt waren. Damals waren die Chancen ihrer Mutter auf dem Arbeitsmarkt verdammt schlecht, und sie hatte bei der Jobsuche nicht wählerisch sein dürfen. Sie hatte Zugeständnisse machen müssen und ihre Liebe gezeigt, indem sie sich selbstlos für ihre Töchter aufgeopfert hatte, damit die es später einmal besser haben sollten. Nach einem anstrengenden Tag auf der Post fehlten ihr Zeit und Energie, ihre kleinen Mädchen liebevoll zu verwöhnen. Und wenn, dann bekam Mary meist ihre Zuneigung, da sie die Jüngere und fast noch ein Baby war.
Dass ihr Vater früh verstorben war, dafür konnte er nun einmal nichts. Und ihrer Mutter konnte Katherine auch nichts vorwerfen. Gleichwohl sehnte sie sich nach Liebe, danach, zu lieben und geliebt zu werden. Trotzdem hatte sie sich dagegen gesträubt, sich zu binden, aus Furcht, die Beziehung könnte sich als kurzfristige Affäre entpuppen, ein Strohfeuer, das lichterloh brannte und genauso schnell
wieder erstickte. Tief im Innern wusste sie, dass sie den Schmerz über eine Trennung, über den Verlust eines geliebten Menschen nur schwer verwinden könnte. Erst als sie Jace Manning kennen lernte, hatte sie ihr Herz weit geöffnet, ihre Skrupel beiseite geschoben und sich nicht mehr gegen tiefe Gefühle gesträubt.
Sie und Mary waren weltallerbeste Freundinnen gewesen, und wenn jemand gefragt hätte, hätte sie hoch und heilig beteuert, dass sie ihre Schwester liebte. Das entsprach zwar der Wahrheit, aber es war nicht das Gleiche wie mit Jace. Sie und Mary hatten intellektuell nie dieselbe Wellenlänge gehabt. Seine scharfe Intelligenz und sein feinsinniger Humor ließen sich nicht mit Marys reizender Naivität vergleichen. Es war nicht fair, schniefte sie. Jace war ihr erster Mann, ihre große Liebe, und ihm fiel nichts Besseres ein, als auf ihren tiefen Empfindungen herumzutrampeln.
Nachdem ihr Tränenfluss endlich versiegt war, strich Katherine den Bettüberwurf glatt und brachte ihr zerflossenes Make-up wieder in Ordnung. Als sie Allison zurückbrachte, fiel Happy als Erstes auf, dass Katherine ungewöhnlich still war. Oha, welche Laus war ihr denn über die Leber gelaufen? Auf Nachfragen ihrer besorgten Vermieterin reagierte Katherine mit stoisch unbewegter Miene und verschanzte sich ansonsten hinter einer Mauer des Schweigens.
Sie machte Abendessen und führte dabei wie üblich Selbstgespräche. Sie rekapitulierte das Vorgefallene in
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