Eine von Zweien (German Edition)
gegeben. Mit Lukas hatten mich auch meine eigenen Träume verlassen.
Besser gesagt, ich hatte sie ihm mitgegeben. Ich war selbst schuld. Beth hatte
all diese Sachen erlebt und gekämpft und jetzt sogar noch ein besseres
Verhältnis zu unserer Familie als ich. Zusätzlich ist sie glücklich. Das wollte
sie, glaube ich, deshalb war sie so eine Nervensäge. Sie wollte, dass ich
wieder glücklich sein kon nte. Sie war überzeugt, ich hätte
die Chance, wieder glücklich zu werden. Auch ohne Lukas. Aus meiner Sicht ist
das verrückt. Ich bin schon zufrieden damit, nur zufrieden zu sein. Beth hielt
mir den Spiegel vor. Und ihre Bestürzung über meine Beschreibung, wie Ben und
ich unsere Beziehung führen. Das passt ihr auch nicht. Ich finde das in Ordnung.
Es ist nicht vergleichbar mit den Gefühlen, die ich damals mit Lukas durchlebt
hatte. Aber es ist das, was ich brauche: Sicherheit, die Sicherheit, dass ich
nicht verletzt werde.
Seit Wochen wache ich schweißgebadet und mit Herzrasen auf,
habe Probleme wieder einzuschlafen. Immer wieder sehe ich mich in einem Sarg,
lebendig begraben. Keiner hört mich, keiner merkt, dass ich noch am Leben bin.
Sie beerdigen mich, weinen um mich. Aber ich lebe doch! Ich will sie
anschreien, aber sie hören mich nicht. Sie reden über mich, als ob ich sie
nicht hören könne, dabei höre ich sie und ich schreie doch so laut in meinem
schmalen Gefängnis. Letzte Nacht konnte ich sogar Lukas´ Stimme hören. Er
unterhielt sich mit Ben, gerade mit Ben,...über mich. Sie kannten sich doch gar
nicht, warum sollten sie das tun? Warum sollte sie mich beerdigen? Ich lebe
doch! Diesmal spürte ich im Traum förmlich, wie der Sarg sich bewegte. „Nein,
ihr könnt mich doch nicht runterlassen! Ich durchlitt alles so echt. „Schaut
nach, ich lebe doch noch“, wollte ich schreien. „Ihr Idioten, ihr heult um
mich, aber ich lebe doch noch!“ Ich hörte, wie die ersten Erdbrocken auf dem
Sarg landen. Ich wollte aus vollem Hals schreien, aber der Schrei blieb mir im
Halse stecken. Ich lebe! Vielleicht genieße ich mein Leben nicht so intensiv
wie Beth oder wie Alice oder vielleicht sogar Lukas, aber mindestens genau so
wie meine Eltern. Die waren doch auch glücklich. Ich wurde stutzig, sollte
dieser Gedanke mich wirklich überzeugen? Warum soll mich das beruhigen? Bin ich
verrückt geworden? Ich hasste das Leben, wie meine Eltern es führten. Jeden Tag
von einer Verabredung mit hohlen Gesprächen zur nächsten. Und mein Vater kannte
auch nichts anderes, als arbeiten. Oh nein, dachte ich, ich war wie mein Vater
geworden. Ich arbeitete nur noch. Wenn ich gerade nicht Sport machte, dann arbeitete
ich. Ich war zu einem Abbild meiner schlimmsten Vorstellungen von früher geworden.
Lukas und ich hatten uns damals Horrorgeschichten erzählt, wie er zu seinem
Vater werde und ich zu meiner Mutter. Ich fand meine Mutter immer peinlich. Sie
hat nichts gemacht, immer nur zuhause gesessen und alles für meinen Dad getan.
Nein, ich bin nicht zu meiner Mutter geworden, ob mir das in der jetzigen
Situation Mut macht oder es eher alles noch schlimmer? Werden wie mein Dad, das schien mir so
unmöglich, soweit außerhalb meines Universums. Tja ich sollte mir gratulieren,
ich habe das unmöglich Geglaubte ermöglicht.
Es klingelte, und ich wurde aus der Welt gerissen, die sich
vor mir aufgebaut hatte. Wer war das? Ich war ganz benommen. Richtig, das muss
die Pizza sein. Ich holte mein Geld und ging zu Tür.
„Hallo, Ihre Pizza und die Fanta, damit sie sich über Ihr
verkorkstes Leben hinwegtrösten können, bitte sehr!“
„Was haben Sie gerade gesagt?“
„Für die Pizza und die Fanta 10,65€ bitte, hatte ich gesagt.“
„Hatten sie nicht gerade etwas über mein Leben gesagt?“
„Nein, sicher nicht, ich kenne sie doch gar nicht.“
„Oh ok, Entschuldigung, dann bitte 14€ zurückgeben.“
„Sehr gerne! Vielen Dank und Ihnen noch guten Appetit, Sie
bedauernswürdiges Etwas.“
Das hatte er doch nicht gesagt, oder? Wurde ich langsam
verrückt? Vielleicht hatte ich nur Hunger nach dem ganzen Reden und dann
Arbeiten. „Ich sollte erst mal etwas essen“, dachte ich, „ich bin sicher nur
unterzuckert. Am besten, ich schaue dabei fern, das lenkt mich ab und lässt
meinen Kopf nicht zu Wort kommen.“ Ich holte den Pizzaschneider, machte es mir
vor dem Fernseher bequem, schaltete ein und lehnte mich zurück.
„Vernunft wird in unserer Gesellschaft sehr groß geschrieben,
wenn Sie mich fragen, zu
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