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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hat, dass er warten soll. Dann zieht er ein Stück Papier aus der Hosentasche und gibt es ihm. Mickey liest es, stößt einen grässlichen Fluch aus, reißt Tosh einen Stift aus der Hand, schreibt was auf die Rückseite und gibt ihm das Papier zurück. Danach ruft er den Fährmann und sagt ihm, dass er es sich anders überlegt hat. Und gleich darauf stürzt er aufgeregt davon. Soviel ich weiß, is’ ihm keiner gefolgt, und keiner hat ihn niedergeschlagen oder erwürgt und schon gar nich’ in den Fluss geschmissen.«
    Monk spürte ein Prickeln. »Mickey war also im Begriff wegzufahren und hat sich dann blitzschnell anders entschieden?«, drängte Monk.
    »Das hab ich doch gerade gesagt, Sie Blödmann! Hören Sie nich’ zu?«
    »Wann war das ungefähr?«
    »So um halb elf.«
    »Danke. Das war sehr hilfreich. Wie heißen Sie, falls ich noch mal mit Ihnen sprechen muss?« Fast hätte er hinzugefügt, dass er eine offizielle Aussage von ihm benötigte, biss sich dann aber auf die Zunge. Er würde später Orme zu ihm schicken, und dann würden dem Mann keine Hintertürchen offen bleiben.
    »’Orace Butterworth«, knurrte der Fischer. »Und jetzt verschwinden Sie. Sie verschrecken mir die Fische!«
    Monk dachte sorgfältig darüber nach, wie sich am besten Nutzen aus dieser nicht ganz eindeutigen Information ziehen ließe. War das die Botschaft, die Mickey zum Boot und danach weiter stromaufwärts in Richtung Mortlake geführt hatte, nur damit er dort den Tod fand? Von wem stammte sie? Was hatte derjenige erreichen wollen? Es musste sehr dringend gewesen sein, wenn Mickey deswegen zu dieser späten Stunde noch einmal aufgebrochen war.
    Von Tosh würde er es bestimmt nicht erfahren. Ebenso wenig den Namen oder die Herkunft des Boten. Sonst geriete er selbst in den Verdacht, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein, der danach begangen worden war. Er würde schlichtweg alles leugnen, behaupten, Butterworth täusche sich und habe wahrscheinlich alles frei erfunden. Ein guter Anwalt würde ein solches Indiz binnen Minuten in der Luft zerreißen.
    Nein, er musste eine Beweiskette aufbauen. Wer war das schwächste Glied? ’Orrie Jones. Bei ihm musste er anfangen.
    Er traf ’Orrie in einer Werft an, wo dieser geduldig ein Stück Holz abschmirgelte. Dort arbeitete auch noch eine Reihe anderer Männer, die damit beschäftigt waren, zu sägen, zu planen, zu meißeln, Planken sorgfältig einzusetzen, Deichseln in Nuten einzuhängen. Der Boden war bedeckt mit Sägespänen, die auch zusammen mit den Gerüchen von Holz und Harz in der Luft hingen. Hinzu kam ein ständiges, wenn auch unregelmäßiges Hämmern, Klopfen, Raspeln und das leise Pfeifen eines Menschen.
    Weiter unten, fast schon am Rand des Wassers, dichtete ein alter Mann mit tätowierten Armen die Seiten eines Boots ab, wobei er ab und an einen Schritt zur Seite machte, wenn Wasser über den Kies schwappte und seine Stiefel durchnässte.
    Hier, in der Werft, waren sie vor dem Wind geschützt. Die Tide schmatzte an der steinernen Gleitbahn. Es roch nach Flussschlamm und nassem Holz.
    ’Orrie blickte auf, und als er den näher tretenden Monk erkannte, nahm sein Gesicht einen Ausdruck von unendlicher Müdigkeit an. »Sie schon wieder«, seufzte er. »Reicht es denn nich’, dass Sie den armen Scheißer hängen, den Sie in den Klauen haben? Müssen Sie wirklich auch noch jeden Nagel einzeln in den Sarg klopfen?«
    »Ich muss doch sicherstellen, dass er passt, ’Orrie, so wie die Stücke, die Sie hier aneinanderfügen.«
    »Was is’ es denn jetzt?« ’Orries gutes Auge starrte Monk an.
    »Wann hat Mickey Sie gebeten, ihn zu dem Boot zu rudern?«
    »Weiß nich’.«
    »O doch! Denken Sie nach!«
    ’Orrie sah ihm in die Augen, und in diesem Moment wirkte er voll konzentriert und klar im Kopf. »Warum? Was hat das jetzt noch zu bedeuten? Macht doch jetzt keinen Unterschied mehr aus, wo man weiß, wer ihn umgebracht hat.«
    »Sagen Sie das dem Strafverteidiger, ’Orrie. Wenn Sie ihm keine Antwort geben, nimmt er Ihr Privatleben Stück für Stück auseinander und …«
    »Ich hab keine Ahnung, wann er beschlossen hat, zu dem Boot rauszufahren!«, protestierte ’Orrie wütend. »Aber vor elf hat er mich nich’ drum gebeten. Das weiß ich, weil ich grade ein Pint angefangen hatte und es wegen ihm stehen lassen musste.«
    »Im Pub?«
    »Natürlich im Pub! Glauben Sie, ich zieh’s aus dem Fluss?«
    »Woher Sie es nehmen, ist mir egal. Warum hat Mickey seine Entscheidung so

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