Einige sterben schneller! (German Edition)
Tüte an der erstbesten Mülltonne im Kaufhaus. Immer noch übermüdet, aber weitaus ruhiger als noch die letzten Tage, verließ ich das Kaufhaus und machte mich zu Fuß auf dem Weg in die Innenstadt. Die kühle Winterluft tat mir gut, wobei das Klima hier in Holland deutlich milder war, als bei uns zu Hause in Bayern.
Am Rathausplatz setzte ich mich auf eine leerstehende Parkbank, betrachtete die Tauben, die frei durch die Luft flogen und resümierte meine Situation. Angst vor einer unmittelbaren Verhaftung hatte ich nicht. Ich befand mich in einem anderen Land, hunderte von Kilometern weg von der Haftanstalt, aus der ich geflohen war und hatte mein Aussehen deutlich verändert. Mir zusätzlich noch einen Bart wachsen zu lassen, befand ich ebenfalls für gut, außerdem ersparte es mir das lästige tägliche Rasieren. Derzeit zierten die ersten Stoppeln eines 3-Tages-Bartes mein Gesicht. Sollte ich nicht durch einen dummen Zufall in eine Polizeikontrolle geraten und mich auch sonst unauffällig verhalten, konnte ich schon bald wieder mein Leben als freier Mann genießen.
Wie sollte es weitergehen? Zunächst benötigte ich eine Unterkunft für die Nacht, dann ausreichend Schlaf. Neue Ausweispapiere wären auch von Nutzen, denn Westeuropa wäre wohl auch zukünftig ein zu heißes Pflaster für mich. Da am heutigen Samstag die Geschäfte noch geöffnet waren und mein Äußeres halbwegs akzeptabel war, ging ich in das Einkaufszentrum zurück und ließ ein paar Passfotos in einem der Selbstbedienungs-Fotoautomaten machen, der im Untergeschoss stand. An einem Spielwarenladen vorbeischlendernd, betrachte ich die Auslagen und beim Anblick eines Segelschiffes kam mir spontan eine Idee. Mit dem Schiff wollte ich Europa verlassen, um viele tausend Kilometer weiter mein neues Leben zu beginnen. Selbstverständlich nicht mit einem Kreuzfahrtschiff oder Segelboot, sondern mit einem Frachter. Zeit hatte ich genug und konnte so vielleicht noch etwa Geld bei der Überfahrt verdienen. Die Gefahr durch Kontrollen bei der Ein- und Durchreise in andere Länder oder an Flughäfen aufzufallen, war bei dem geplanten Reiseweg mit dem Schiff sicher deutlich geringer. Rotterdam hatte einen riesigen Frachthafen, den größten in Europa und war daher mein neues Reiseziel.
Die Niederlande sind ein recht kleines Land, so dass man dieses in 3-4 Stunden komplett durchfahren kann. Ich schätze, mit dem Auto wurde ich in etwa 2,5 Stunden in Rotterdam sein, wenn ich gemütlich fuhr.
Im nächsten Lebensmittelgeschäft kaufte ich noch eine große Flasche Cola und ein paar Schokoriegel, ging anschließend zum Parkdeck und stieg in 'meinen' geklauten Wagen. Die Autofahrt verlief diesmal ganz unspektakulär, also ohne Unfälle, Kontrollen oder sonstige Vorkommnisse, aber Stress hatte ich in den letzten Tagen ja schon genug gehabt. Gegen späten Nachmittag traf ich in Rotterdam ein. Ich folgte der Beschilderung Richtung Hafen, wollte mir aber zuerst eine Bleibe suchen. Irgend eine billige Abstiege, wo im voraus und natürlich in bar bezahlt wird, wo keine Fragen gestellt werden und die Gäste häufiger wechselten wie die Bettwäsche wäre gerade richtig. Je weiter ich die Innenstadt verließ und Richtung Docks fuhr, desto größer wurde die Auswahl an entsprechenden Unterkünften.
'Meinen' Fiat, ich hatte in den letzten Stunden tatsächlich so etwas wie eine Beziehung zu dem Fahrzeug entwickelt, weil mich dieser zuverlässig und noch kostenlos hierher transportiert hatte, ließ ich in einer Seitenstraße stehen, nahm mein Gepäck und schaute mir in der Nähe einige so genannte Hotels an. Das dritte schien halbwegs ordentlich, der Portier ausreichend desinteressiert und so nahm ich ein Zimmer für zwei Nächste. 110.-- Euro ärmer ging ich hinauf in den ersten Stock, verstaute meine Habseligkeiten im Schrank und ging erst einmal unter die Dusche. Das Wasser war schön heiß und es gab sogar diese kleinen praktischen Gratispackungen mit Duschgel, Seife usw. Ich hatte im Supermarkt natürlich vergessen etwas für meine Körperpflege zu kaufen.
Eine viertel Stunde später fühlte ich mich erstmals seit Tagen wieder als Mensch. Meine Rippen taten immer noch höllisch weg, aber ich stank nicht mehr, hatte saubere Kleidung an, befand mich nicht auf unmittelbarer Flucht und hatte ein Dach über den Kopf. Zufrieden ließ ich mit auf das Bett fallen und schaltete den Fernseher ein. Die Nachrichten interessierten mich besonders, aber von mir bzw. meiner Flucht
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