Einmal rund ums Glück
erfahren. Schwer atmend warte ich auf das Ende der Geschichte.
»Ich war mit ihm zusammen gewesen, bevor ich nach England ging. Wir trennten uns, als ich fortzog. Er war wütend, dass ich ihn verließ, wollte nicht auf mich warten. Zwischen uns blieb vieles ungesagt.«
»Aber dann bist du zurück nach Hause gefahren und hast mit ihm geschlafen, obwohl du verheiratet warst?«
Sie antwortet nicht.
»Sag’s schon«, fordere ich sie auf. »Wie ging es weiter? Bist du nach England zurückgegangen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Er hat mich gesucht.«
»Wer? Stellan?«
»Ja. Er versprach, sich zu ändern. Er wollte mich wiederhaben.«
»Und was war mit dem anderen Wie-hieß-er-noch-gleich?«
Sie zuckt mit den Achseln. »Ich war verheiratet. Ich empfand es als meine Pflicht, mit meinem Ehemann nach England zurückzukehren.«
»Scheiß auf die Pflicht!«, rufe ich. »Warum bist du nicht deinem Herzen gefolgt?« Ich bin völlig durcheinander, bekomme meine Gefühle nicht in den Griff, habe einerseits Mitleid mit meiner Mutter und bin dann wieder so sauer auf sie. Ich weiß nicht, was ich denken soll.
»Ich war innerlich zerrissen, Daisy. Als ich dann merkte, dass ich wieder schwanger war, rechnete ich fast mit einer Fehlgeburt. Doch es wurde keine.«
»Nein, du bekamst mich. Und mit Sicherheit war ›Daddy‹ total aus dem Häuschen über sein kleines Töchterchen«, sage ich sarkastisch.
»Er war wirklich glücklich«, sagt sie.
»Trotzdem wollte er noch einen Sohn.«
»Ja.«
»Aber du hast ihm keinen geschenkt.«
»Nein.«
»Weiß er Bescheid über den anderen Typen?«, frage ich niedergeschlagen.
»Er hieß Andrea.«
Als ich den Namen des Mannes höre, der mein Vater sein könnte, halte ich die Luft an.
»Nein«, sagt meine Mutter. »Ich habe deinem Vater nie erzählt, was damals passierte.«
»Weiß dieser Andrea … weiß der von mir?«
Meine Mutter schüttelt den Kopf. »Glaube ich nicht. Aber genau kann ich es nicht sagen.«
»Ich könnte doch einen Vaterschaftstest machen lassen! Um zu erfahren, ob er mein leiblicher Vater ist. Ich könnte mich mit ihm treffen!«
»Er ist tot.«
Ihre Worte hallen in mir wider.
»Er ist tot?«
»Ja. Ich hörte es, als ich zur Beerdigung meines Vaters dort war.«
Ich bin traurig. Auf einmal kann ich nicht weitergehen. »Habe ich Ähnlichkeit mit ihm?«, frage ich leise.
Meine Mutter betrachtet mein Gesicht und schüttelt schließlich den Kopf. »Nein. Du hast Ähnlichkeit mit mir«, sagt sie. Wir sehen uns in die Augen, und Tränen laufen uns die Wangen hinunter.
»Ich verstehe nicht, warum du meinen Vater nicht verlassen hast, wenn er immer so gemein zu dir war.«
»Ich dachte, es wäre richtig, bei ihm zu bleiben. Das Beste für dich.«
Ich schüttel den Kopf. »Es war nicht das Beste für mich.«
»Aber wir hätten nichts gehabt!« Sie blickt gequält.
»Jetzt habe ich auch nichts«, sage ich, auf einmal wütend. »Ich will sein Geld nicht. Habe ich noch nie gewollt. Ich wollte nur in einem glücklichen Haus aufwachsen mit Eltern, die mich lieben.«
»Wir lieben dich doch.«
»Dass ich nicht lache! Du musst nicht mir zuliebe lügen. Das hast du die ganzen Jahre mehr als genug getan, und ich war dir weder dankbar dafür, noch habe ich dich deshalb geachtet.«
Sie schweigt.
»Warum verlässt du ihn jetzt nicht mehr?«, frage ich schließlich. »Du könntest dich neu verlieben, glücklich werden …«
Entschieden schüttelt sie den Kopf. »Nein. Dies ist jetzt mein Leben. Und mir geht es gut. Ich habe alles, was ich mir wünschen kann.«
»Was denn? Die neuste Tasche von Gucci und die besten Prada-Schuhe?«
»Das macht mich glücklich, Daisy.«
Ich schaue ihr ins Gesicht, und Enttäuschung macht sich in mir breit. Jetzt verstehe ich. Sie mag das Geld. Sie mag den Reichtum. Sie hat sich an dieses Leben gewöhnt.
»Ich habe mich an dieses Leben gewöhnt«, wiederholt sie die Worte, die mir gerade durch den Kopf gingen. »Ich kann nicht mehr zurück. Nicht nach Italien, in die Berge. Es gefällt mir hier in New York.«
Sie ist in ihrem Wohlstand gefangen, das ist mir jetzt sonnenklar. Aber das werde ich bei mir nicht zulassen. Auf gar keinen Fall.
Als wir an dem Abend in die Wohnung zurückkehren, gehe ich sofort auf mein Zimmer und rufe Holly an.
»Kann ich bei dir wohnen?«
»Jaaaa!«, kreischt sie. »Ja, ja, ja, natürlich! Wann kommst du zurück?«
»Ich brauche ein paar Tage, um alles anzuleiern.«
»Weißt du, dass wir am Wochenende
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