Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
mich dann, wenn ich fertig bin.«
Judith Brunner sah sich um. Mittlerweile leerte sich der Parkplatz langsam. Es wurde rasch dämmerig. Vor allem die Leute mit den kleineren Kindern wollten nach Hause, was nicht immer auf deren Zustimmung stieß. Einem der energischsten Proteste gegen eine als verfrüht empfundene Abfahrt wurde mit dem Verweis auf die Polizei begegnet, die den Parkplatz für ihre Arbeit brauchte, was das kleine Mädchen jedoch nur ein noch intensiveres Protestgeheul anstimmen ließ.
»Wir müssen sowieso mit dem Personal reden«, bestimmte Judith Brunner, »Sie finden uns dann drinnen.«
~ 28 ~
Das Lokal erwies sich als ausgesprochen großzügiger Saal, mit präsentabler Bühne und genügend Platz für üppige Feste und Tanzveranstaltungen. Am Eingang erinnerten einige Fotografien an das Richtfest von 1954, die Einweihung der vier Jahre später gebauten Bar und des Springbrunnens, der ab 1960 die Besucher beeindruckte. Auch jetzt, einige Jahrzehnte später, machte das Haus etwas her. Die Wirtsleute engagierten sich für ihre Gaststätte. Das gefiel Judith Brunner. Und der gut gefüllte Gastraum bewies, dass sie nicht die Einzige mit diesem Eindruck war.
Walter hatte einen Tisch am Rand gesucht, von dem aus er die Eingangstür gut sehen konnte. Judith saß mit Blick auf die Bühne und wurde bestürzt gewahr, dass sich der Vorhang unhörbar zur Seite bewegte und eine Tanzkapelle sichtbar wurde. Und noch ehe Walter fragen konnte, was sie so schockierte, hörte er den ohrenbetäubenden Begrüßungsjingle der Musiker, die dem geneigten Publikum zeigten, welche Töne ihre Instrumente mit dazugehöriger Verstärkerleistung erzeugen können. Allerdings wollten Walter und Judith nicht dazugehören, nicht nach diesem Tag. Sprachlos starrten sie die drei Männer an, die, mit violetten Glitzerjacketts und weißen, langen Hosen kostümiert, gut gelaunt ihr Programm ankündigten. Bei Judith begannen sofort Fluchtinstinkte zu wirken, allerdings musste sie für ihre Befragung noch kurz in dem Inferno verweilen. Schon kam eine Kellnerin an ihren Tisch, und als sie sich schreiend nach ihren Wünschen erkundigte, schrie Walter Dreyer zurück, dass sie zur Chefin müssten. Nein, nein, sie wollten sich nicht über die Musik beschweren, sie hätten etwas anderes mit ihr zu besprechen.
Eine Schwingtür und einen Gang weiter wurde der Lärm aushaltbarer und sie konnten sich wieder in normaler Lautstärke unterhalten.
»Hier ist noch Hochbetrieb, da wird kaum jemand Zeit haben, mit uns zu reden«, befürchtete Walter.
»Es hilft nichts, wir müssen es versuchen.«
Die Kellnerin, die sie hierher geleitet hatte, ließ sie mit den Worten »Das Büro« vor einer mit einem Dschungelfoto tapezierten Tür stehen, die mit einer rohen Holzscheibe eines vor langer Zeit gefällten Baumes versehen war. Mit kindlicher Unbeholfenheit war etwas eingeritzt und nachgefärbt worden, das entfernt eine Kochmütze mit sich kreuzendem Messer und Schöpflöffel darstellen sollte. Nach einem Blick in den verwaisten kleinen Raum war klar, dass hier niemand zu sprechen war. Sie gingen wieder zurück in Richtung Küche und Tanzsaal.
»Ach, Chefin, hier will Sie jemand sprechen!«, rief die hilfsbereite Kellnerin einer Frau zu, der man ihre zupackende Art sofort ansah. Kurze strubbelige Haare umrahmten ein etwas gestresst wirkendes Gesicht, das den Polizisten nicht gerade erwartungsfroh entgegenblickte. Sie trug eine pflegeleichte Kittelschürze und ihre Figur sprach für die gute Küche, die hier geboten wurde.
Judith Brunner stellte sich und ihren Kollegen vor. »Ich sehe, dass Sie viel zu tun haben, trotzdem müssten wir dringend mit Ihnen reden.«
»Ist schon in Ordnung, ein paar Gäste haben schon gefragt, was denn draußen los ist. Ich hab sozusagen schon gewartet, wann Sie mir Bescheid sagen kommen.« Sie marschierte voran, wieder in Richtung ihres Büros.
Es waren nur zwei Stühle darin.
»Setzen Sie sich bitte. Also, was ist passiert?«
»Wir haben auf Ihrem Parkplatz ein Auto gefunden, das in der Fahndung war«, begann Judith Brunner ausweichend und beschrieb den Wagen. »Können Sie uns dazu etwas sagen?«
»Mein Mann hat mir davon erzählt, vor ein paar Tagen, da hat er das Auto gesehen.«
»Wissen Sie noch, wann genau er davon sprach?«
»Mittwoch? Donnerstag? Ich kann’s nicht sagen, fragen Sie ihn am besten selbst. Morgen ist er wieder da.«
»Ach, er ist unterwegs?«
»Ja, er musste irgendwelche
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