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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Weinheim hatte ihr zwar geraten, sich auszuruhen, doch
sie wollte auf keinen Fall die von Yvonne organisierte Überraschungsparty für
Christian verpassen. Außerdem spielte sie den Lockvogel, der Christian auf die
Zielgerade setzen sollte. Laut Yvonne war sie der einzige Mensch, der Christian
ohne Angabe von Gründen innerhalb kürzester Zeit an jeden auch nur irgendwie
erreichbaren Ort bestellen konnte. Anna war sich da gar nicht so sicher, aber
sie fand es rührend, wie Yvonne versuchte, ihr eine besondere Bedeutung in Christians
Leben zuzuschustern. Also hatte sie ihn angerufen, um ein Treffen gebeten, und
er hatte zugesagt. Ein bisschen schäbig fühlte sich Anna schon, ihn so zu
hintergehen, denn schließlich erwartete Christian nun einen möglichst
angenehmen Abend zu zweit, statt von der Bande seiner Kollegen überfallen und
in einen geselligen Mittelpunkt gerückt zu werden – eine Rolle, die er nur
ungern übernahm.
    Anna begrüßte Karen und Pete, die nicht zufällig nebeneinander
saßen. Eberhard stellte Anna seiner Lebensgefährtin Biggi vor, einer
attraktiven Blondine, die einen herzlichen und bodenständigen Charme
versprühte. Neben Daniel saß an ihn gelehnt eine extrem schlanke, fast magere,
leicht angepunkte junge Frau, die er als seine Freundin Puck in den Kreis
einführte.
    Â»Ich vermute, der Spitzname leitet sich weniger von Shakespeares
Elfenkobold ab als von dem Hartgummigeschoss beim Eishockey«, flüsterte Volker
Anna zu. »Wenn du mit der ins Bett gehst, kriegst du blaue Flecken von den
vorstehenden Hüftknochen.«
    Â»Du bist doch nur neidisch«, gab Anna scherzhaft zurück und knuffte
Volker in die Seite. Volker war schon seit über einem Jahr wieder Single.
Obwohl er Frauen liebte und verehrte, gelang es ihm nie, eine dauerhaft an sich
zu binden. Anna erinnerte sich an ein amüsantes Gespräch, in dem er die
Vermutung geäußert hatte, er könne den Frauen unheimlich sein, und Yvonne hatte
ihm in ihrer jugendlichen Respektlosigkeit absolut recht gegeben. Ihrer Meinung
nach war ein Mann, der sich tagelang ausschließlich von Dinkelstangen ernährte,
die er in Riesenkartons ins Haus geliefert bekam, um dann plötzlich und
lustvoll seine Zähne in ein Fünfhundert-Gramm-Steak, blutig, zu schlagen, nicht
nur unheimlich, sondern auch unberechenbar. Und das war für viele Frauen noch
schlimmer. Eberhard war nach Yvonnes Männeranalyse der Gegenentwurf: ein
treusorgender Partner und Vater, der im Haushalt alles reparierte, im Wald Holz
hackte, gerne kochte und Brot buk, seiner Frau Blumen mitbrachte und sich für
Anfälle von schlechter Laune entschuldigen konnte. Einfach liebenswert und
verlässlich. Über Daniel hatte sie keine Aussagen gemacht. Damals hatte Anna
überlegt, wie Christian wohl auf Yvonne wirkte. Yvonne bewunderte ihn
rückhaltlos. Aber sie war zu jung, um zu verstehen, dass Christians Stärke angreifbar
war, weil sie zu wenig Rücksichten nahm, und seine Schwäche furchterregend,
weil sie ihn verhärten ließ. Egal, ob er stark oder schwach war, er verletzte
die Menschen, die ihn liebten.
    Jetzt schien Yvonne selbst in einer verletzlichen Lage. Sie saß
stumm da und beobachtete mit waidwundem Blick, wie Daniel den Arm um Puck legte
und sie küsste. Yvonne wandte sich abrupt ab, griff zu ihrem Handy und
telefonierte leise.
    Durch die große Glasfront beobachtete Anna, wie Christian sich der
Kneipe näherte. Sie ging nach vorne Richtung Theke, um ihn abzufangen. Im
Augenwinkel sah sie zwei ihrer Studenten am Tresen stehen. Sie nickte ihnen
kurz zu. Christian kam herein, strahlte sie an. Er hatte nur Augen für Anna,
deshalb sah er seine versammelten Kollegen am großen Tisch weiter hinten nicht.
    Anna begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange und flüsterte: »Sei
mir nicht böse. Sie haben mich mit vorgehaltener Waffe gezwungen.«
    Irritiert folgte Christian Annas Blick und sah sie alle dastehen,
die Gläser in den Händen, ihm zuprostend. Bevor er etwas sagen konnte, zerrte
Anna ihn zum Tisch.
    Â»Was zum Teufel …?«, begann Christian zu fluchen. Dann hielt er inne
und schlug sich gegen die Stirn.
    Â»Seht ihr? Er hat’s vergessen! Her mit der Kohle, Pitt!«, freute
sich Yvonne. Dann fiel sie Christian um den Hals und gratulierte ihm. Alle
anderen schlossen sich an, zuletzt nahm Anna ihn in die Arme.
    Â»Wenn der

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