Eiskalt Wie Die Suende
Oberbefehlshaber der Unionstruppen gewesen war, wurde er oft zitiert mit den Worten, dass Will der beste Wundarzt der gesamten Armee sei.
âVor und während des Krieges haben sich unsere Wege einige Male gekreuztâ, sagte Will. âDas letzte Mal sind wir uns kurz vor meiner Gefangennahme durch die Rebellen begegnet. Nun schrieb Grant, dass er mit einem âverdammt guten Whiskeyâ auf mein Andenken angestoÃen hätte, nachdem er meinen Namen auf der Liste von Häftlingen entdeckt hatte, die in Andersonville umgekommen sind. Natürlich hatte auch er jahrelang geglaubt, dass ich tatsächlich tot wäre.â
âWeil es das war, was du alle glauben machen wolltestâ, erinnerte ihn Nell leise.
âJa, ich weiÃâ, meinte Will und fuhr fort: âWie Grant mir jetzt auf jeden Fall darlegte, seien er und seine Berater in letzter Zeit äuÃerst besorgt wegen der zunehmenden Spannungen zwischen PreuÃen und Frankreich.â
âAch ja, weil Napoleon nicht möchte, dass Kaiser Wilhelms Cousin den spanischen Thron besteigt.â
âWie ich sehe, hast du aufmerksam Zeitung gelesen. Allerdings ist alles noch etwas komplizierter, wenngleich es um ganz schlichte, fast schon banale Streitigkeiten geht. Napoleon und Wilhelm gebärden sich seit einer ganzen Weile schon wie zwei kläffende Köter, die ihr Revier um jeden Preis verteidigen wollen â in ihrem Falle die Grenzen ihrer jeweiligen Staatsgebiete. Sie sind beide in aufgebrachter Kampfeslaune. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein â mittlerweile wohl nur noch Tage oder Wochen â, bevor es zwischen beiden Staaten tatsächlich zum Krieg kommt.â
âBitte sag jetzt nicht, dass Grant sich an diesem Krieg beteiligen will.â
âDu liebe Güte, nein. Er hat mir versichert, dass wir â ebenso wie England â neutral bleiben würden. Die Sache ist nur die, dass Elihu Washburne, der amerikanische Botschafter in Frankreich, ein alter Freund von Grant ist. Ein sehr mächtiger und einflussreicher Mann, dem Grant sowohl seine militärische als auch seine politische Karriere verdankt. Washburne sympathisiert mit den Franzosen und ist fest entschlossen, um jeden Preis in Paris zu bleiben â ganz gleich, wie chaotisch die Zustände in der Stadt auch schon ohne einen Krieg sein mögen. Er hat Grant gebeten, ihm ein paar Leute zu schicken, die sich als hilfreich für die Sache erweisen könnten, wenn die Lage brenzlig würde. Unter anderem bat er auch um den besten Feldarzt, den Grant auftreiben könne.â
Nell atmete tief aus. Ihr gefiel ganz und gar nicht, was sie da zu hören bekam. âWie hat der Präsident denn herausgefunden, dass du doch noch unter den Lebenden weilst?â
âGanz einfach. Als er bei den Dekanen der medizinischen Fakultäten von Harvard und Columbia anfragte, wen sie ihm denn als Feldarzt empfehlen könnten, fiel beide Male die Wahl auf mich.â
âAlle Achtung.â
âAch was, das war bloÃer Zufall. Kurz bevor ich nach Shanghai aufgebrochen war, hatte ich einen Artikel über Schussverletzungen für das Boston Medical and Surgical Journal verfasst, der im Mai veröffentlicht wurde. In der Abhandlung legte ich bestimmte Schlussfolgerungen dar, zu denen ich aufgrund meiner praktischen Erfahrungen während des Krieges gelangt war. Beide Dekane dürften den Artikel gelesen haben, und als Grant sich nach einem Arzt mit militärischer Erfahrung erkundigte, war ich wohl der Erste, der ihnen einfiel.â
âDir stehen also zwei Möglichkeiten offenâ, stellte sie fest. âHarvard oder Frankreich.â
âGrant hat mich gebeten, ihm bis Anfang nächster Woche Bescheid zu geben, damit er sich notfalls nach jemand anderem umsehen kann, sollte ich ablehnen.â
âUnd Isaac?â
âEr hat mir keine bestimmte Frist gesetzt. Wenn ich sein Angebot dieses Jahr noch nicht annehmen könne, meinte er, würde er hoffen, dass ich nächstes Jahr so weit wäre â oder das Jahr darauf. Er will mich einfach wieder an der Fakultät haben.â
âWie geht es Isaac? Ich habe ihn seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen.â
âIch weiÃ. Er sagte mir, wie sehr er es bedauere, dass er und Emily nicht mehr Zeit mit dir hätten verbringen können, bevor du nach Cape Cod abgereist bist, wo er dich ja jetzt glaubt. Als ich gestern zu ihm meinte, heute
Weitere Kostenlose Bücher