EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
so erschreckend, dass das Gehirn eine Erinnerung vollständig löscht.“
Du Lügner!, kreischte Bobby.
„Nein“, sagte sie erregt. „Es ist alles doch noch da, so frisch, so vollständig. Katharinas Beerdigung, ich war doch da!“
„Das ist mir durchaus klar. Aber damit die Wunschvorstellung weiterbestehen konnte, hast du meiner Meinung nach angenehmere Erinnerungen erfunden, die nun die tatsächlichen Erlebnisse überlagern.“
„Welche Wunschvorstellung?“
„Du wolltest auch tot sein, weil du glaubtest, ohne Katharina nicht weiterleben zu können. Deshalb hast du dich in dem Grab liegen sehen.“
„Es ist trotzdem nicht so passiert! Nein!“
„Wenn du das sagst.“
„Das sage ich nicht nur so, das war auch so!“
„Wie können wir so etwas mit Sicherheit jemals wissen?“
„Wir können es! Du weißt es, ich weiß es. Was redest du da?“
Reg dich ab, Liebes.
„Aber wieso erinnerst du dich denn dann so präzise an Dinge, die niemals passiert sind?“
Sie sah ihn völlig verblüfft an.
„Sieh mal, Anna, du hast deiner Schwester schon immer sehr nahegestanden, und du wolltest ihr auch im Tod nahe sein, damit sie sich im Grab nicht allein fühlt. So geht es vielen, die um einen geliebten Menschen trauern. Und du warst damals noch ein Kind. Das, was du siehst, ist normal.“
„Nein! Nein, ich möchte meine Erinnerungen so behalten, wie sie sind.“
Er seufzte. „Ich glaube, es reicht für heute. Versuche, dich abzulenken. Lies ein Buch oder sieh ein bisschen fern. Grüble nicht zu viel. Alles wird gut!“
Sie lächelte gequält. „Versprichst du mir das?“
„Ja.“
Aber ich nicht!, flüsterte Bobby.
***
Kreiler schaltete das Tonbandgerät ein und dachte kurz nach. Dann drückte er die Aufnahmetaste und diktierte: „Allmählich beginnt Katharina in Anna zu hypostasieren. Sie hindert ihre Schwester daran, sich mit dem emotionalen und physischen Trauma auseinanderzusetzen. Ich benutze für meine Therapie eine Methode, die im diagnostischen und statistischen Handbuch der Geisteskrankheiten, herausgegeben von der Amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie, beschrieben wurde. Dort heißt es: Das wesentliche Merkmal ist die Existenz zweier unscheinbarer Persönlichkeiten innerhalb des Individuums. Jede Persönlichkeit ist eine voll ausgebildete und komplexe Einheit mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensmustern und sozialen Bezügen, die die Handlungen des Individuums bestimmen, wenn diese Persönlichkeit dominiert. Der Übergang von einer Persönlichkeit zur anderen geschieht plötzlich, oft verbunden mit emotionalem Stress … Normalerweise hat die originäre Persönlichkeit weder Kenntnis noch ein Bewusstsein davon, dass die andere Persönlichkeit existiert … Wie es auch bei Anna der Fall ist. Zum zweiten Mal kam Katharina als Person – wenn auch nur zögerlich – an die Oberfläche. Für die Therapie, doch besonders für mich, ist dies ein erster Erfolg.“
Er schaltete das Gerät aus. Anna hatte im Raum einen zarten Jasminduft hinterlassen, den er gierig aufsog. Er spürte die Hitze zwischen seinen Lenden. Er hatte in den vergangenen Jahren immer nur von Katharina geträumt, doch jetzt war er Feuer und Flamme für Anna, wollte sich hinter sie knien und ihren Hintern mit seinen Händen umschließen, ihre kühne Festigkeit fühlen, ihre Wärme, während er die Pobacken auseinanderdrückte. Er wollte mit seiner Zunge ihre süße Wärme kosten und eng umschlungen jeden ihrer Düfte einatmen. Anna wurde seiner geliebten Katharina immer ähnlicher, durch Anna lebte sie weiter. Er spürte, wie sein Glied hart und steif wurde. Seine Hand glitt nach unten. Er öffnete den Reißverschluss seiner Hose, nahm seinen Penis heraus und masturbierte heftig. Er kam gewaltig, schrie Katharinas Namen und war glücklich.
Während er zu den Papiertüchern griff, wusste er, dass in ihm ein Sturm tobte, ein Sturm unbegrenzter Möglichkeiten, keine davon besonders freundlich und jede mit unabsehbaren Folgen.
Er betrachtete sich selbst gern als attraktiv und glaubte, dass er es wert war, von Anna geliebt und erlöst zu werden, doch ihre Worte bewirkten manchmal genau das Gegenteil, besonders dann, wenn sie von Max und Katharina, ihrer Tochter, sprach. Immer dann war sein Schutzwall angeknackst, und er stand vor einem Abgrund, wo sich feine Risse auftaten, die sich allmählich zu größeren Klüften verbreiterten, um dann zusammenzuwachsen zu einem gähnenden schwarzen Loch, das ihn verschluckte und
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