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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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residierte seit ein paar Jahren im vierten Stock eines modernen Bürogebäudes neben der Herzogsgalerie, einer Liegenschaft der Mälzers.
    Lenz betrat das Haus, warf einen Blick auf die offen stehenden Edelstahltüren des Fahrstuhles, ging daran vorbei und nahm Kurs auf das Treppenhaus. Dann jedoch überlegte er es sich anders, ging die paar Schritte zurück, stellte sich in die Kabine und legte den Finger auf den Taster mit der Vier. Wenn ich übermorgen in zwölf Kilometern Höhe unterwegs sein will, dachte er, sollten mir heute die paar Meter im Fahrstuhl besser nichts ausmachen.
    Als der Lift sich in Bewegung setzte, durchzuckte ihn ein extrem kurzer, intensiver Gedanke an eine womöglich einsetzende Panik, doch es geschah nichts. Oben angekommen verließ er die Kabine, drehte sich noch einmal um und betrachtete sein Gesicht im Spiegel.
    »Geht doch«, murmelte er lächelnd.

     
    *
    »Zu Herrn Braun, bitte«, erklärte er der grell geschminkten Dame mit den hochtoupierten Haaren und der strengen Brille an der Rezeption, die ihn hereingelassen hatte.
    »Haben Sie einen Termin?«
    »Nein.« Er zog seinen Dienstausweis aus der Jacke und hielt ihn hoch. »Mein Name ist Lenz, Kriminalpolizei Kassel. Ich hätte ein paar Fragen an Herrn Braun zu einem Fall, den ich bearbeite.«
    Sie griff zu einem Terminplaner, der vor ihr auf dem Tisch lag. »Da muss ich erst schauen, ob Herr Braun überhaupt im Haus ist. Und wenn, ob er Sie empfangen will.«
    »Es geht ganz schnell. Zehn Minuten, länger brauche ich nicht.«
    »Ja, das mag sein, aber wenn er nicht da ist, nützt uns das gar nichts.«
    Ohne ein weiteres Wort stand sie mit dem Kalender in der Hand auf, ließ den Polizisten wie einen Schuljungen vor der Theke stehen und verschwand durch eine Tür in ihrem Rücken.
    Lenz musste etwa fünf Minuten warten, bis sie sich wieder hinter dem Tresen aufbaute.
    »Ein paar Minuten kann Herr Braun für Sie erübrigen, aber bitte nicht länger.«
    »Ich werde mir alle Mühe geben«, versprach er.
    »Davon gehe ich aus. Den Flur entlang, die letzte Tür auf der linken Seite.«
    Während er auf dem Weg zu Brauns Büro war, dachte Lenz über Empfangsdamen nach. Es gab, da war er sich sicher, nur zwei Sorten davon auf der Welt. Diejenige, wie er sie eben erlebt hatte, und die andere, die immer freundlich, hilfsbereit und kundenorientiert war. Dazwischen war ein Vakuum.

     
    *
    Robert Braun empfing ihn an der offen stehenden Tür, streckte ihm die Hand entgegen, stellte sich vor und ging voraus in das modern eingerichtete, riesige Zimmer.
    »Was führt Sie zu mir, Herr Kommissar?«, fragte er, als beide am seltsam geformten Schreibtisch des Juristen Platz genommen hatten.
    »Wir ermitteln in einer Mordsache von gestern Morgen. Die Besitzer einer Eisdiele in der Wilhelmshöher Allee, ein älteres italienisches Ehepaar, wurden erschossen. Vielleicht haben Sie davon gehört?«
    Braun schüttelte den Kopf.
    »Nein, tut mir leid. Ich bereite mich gerade sehr intensiv auf einen großen Wirtschaftsprozess vor, der meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Ich komme morgens recht früh ins Büro und verlasse es erst sehr spät am Abend oder in der Nacht.«
    »Kein Problem«, erwiderte Lenz freundlich. »Die Eisdiele befindet sich in dem Gebäude der Mälzer-Bau-Consulting , das abgerissen und mit einem Outlet-Center bebaut werden soll.«
    Die Züge des Anwalts wurden starr. »Die Liegenschaft ist mir bekannt. Allerdings wusste ich nicht, dass dort ein Eiscafé angesiedelt ist.«
    »Das erstaunt mich jetzt, Herr Braun, weil schon ein paar Stunden nach der Tat zwei Anwälte Ihrer Kanzlei vor Ort erschienen sind, um Erkundigungen zu einem möglichen Beginn der Abrissarbeiten einzuholen.«
    »Mein lieber Herr Lenz, in unserer Sozietät sind 14 Volljuristen beschäftigt. Da erwarten Sie doch sicher nicht, dass ich mit jedem Vorgang vertraut bin. Natürlich versuche ich, den Überblick zu bewahren, doch ich bitte um Nachsicht, weil das zur Gänze überhaupt nicht möglich sein kann.«
    »Das heißt, Sie sind mit der Mandantschaft Mälzer gar nicht beschäftigt?«
    »Doch, natürlich. Die Mälzer-Bau-Consulting sowie die anderen Unternehmungen von Jochen und Molina Mälzer sind Schlüsselmandanten für uns. Selbstverständlich bin ich mit vielen Details der juristischen Belange dieser Mandanten vertraut. Allerdings kann ich Ihnen, und da bitte ich um Ihr Verständnis, keine Einzelheiten preisgeben, das gebietet meine standesrechtliche

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