Eiszeit
Verschwiegenheitspflicht. Im Übrigen erschließt sich mir nicht, was die Familie Mälzer mit einem Mord zu tun haben sollte.«
»Oh«, erklärte Lenz beschwichtigend, »zunächst müssen wir uns ein allgemeines Bild der Lage machen. Dazu gehört, dass die Mälzers Nutznießer der Morde sein könnten, weil die Besitzer des Eiscafés einen Pachtvertrag hatten, der den Interessen der Mälzers entgegenstand.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe«, gab der Jurist mit schneidender Stimme zurück.
»Nun, so schwer ist das nicht. Die Iannones , so hießen die Mordopfer, wollten sich nicht dem Diktat der Mälzers beugen und bestanden auf ihrem gültigen Pachtvertrag. Das hätte den Bau des Outlet-Centers zumindest verschoben, wenn nicht gänzlich unrentabel gemacht.«
»So leid es mir tut, aber davon weiß ich nichts. Ich bin sicher, dass hier im Haus jemand mit diesen Vorgängen vertraut ist, aber ich kann Ihnen dazu leider keine Auskunft geben.«
»Dann wissen Sie auch nichts davon, dass Herr Iannone am Tag vor seinem Tod die Eisdiele an Frau Mälzer verkauft haben soll?«
Nun zeigte Brauns kühle Fassade zum ersten Mal eine Regung. Er hüstelte gekünstelt und schluckte deutlich hörbar. »Nein. Ich habe irgendwo auf dem Flur etwas von einem aktuellen Vertrag zwischen den Mälzers und einem Mieter gehört, aber mit Einzelheiten bin ich, wie schon gesagt, nicht vertraut.«
»Welcher Ihrer Kollegen ist denn mit den Einzelheiten vertraut?«
»Da müsste ich mich erkundigen. Allerdings befinden wir uns in der Ferienzeit, was bedeutet, dass viele Kollegen im Urlaub sind. Wenn Sie Mitte nächster Woche noch einmal vorbeikommen, kann ich Ihnen sicher mehr sagen.«
Lenz lächelte ihn freundlich an. »Aber mit der Finanzierung des Outlet-Centers gibt es keine Probleme?«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, das ist ein Riesending, das da entstehen soll. Und die Zeiten werden nicht besser, ganz im Gegenteil. Überall liest man von einer Kreditklemme, die den Investoren und Unternehmen das Leben schwer macht.«
Braun lief schlagartig feuerrot an. »Das ist empörend, was Sie hier machen, Herr Kommissar. Sie kommen in mein Büro und wagen es, die Liquidität der Mälzer-Gruppe in Zweifel zu ziehen? Was bilden Sie sich eigentlich ein?«
»Kein Grund, sich aufzuregen, Herr Braun. Ich habe mit keiner Silbe angedeutet, dass es mit der Liquidität der Mälzer-Gruppe nicht zum Besten steht, sondern lediglich nachgefragt.«
»Das, Herr Lenz, ist eine Sache der Interpretation.«
Er schaute hektisch auf die Uhr, stand auf und streckte dem Kommissar die Hand hin. »Und nun muss ich Sie bitten, mich zu entschuldigen, ich habe in ein paar Minuten einen wichtigen Termin.«
»Macht nichts. Ich werde einfach demnächst noch einmal nachfragen, wer mit der Angelegenheit vertraut ist. Zunächst vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben. Auf Wiedersehen und ein schönes Wochenende, Herr Braun.«
Lenz zog die Tür hinter sich ins Schloss, ging über den Flur und überlegte dabei, ob er die Dame an der Rezeption noch ein wenig ärgern sollte, doch hinter dem Tresen saß eine andere Frau. Sie war deutlich jünger, trug ein dunkelblaues Kostüm und lächelte ihn freundlich an. »Auf Wiedersehen.«
Der Kommissar wollte ihren Gruß erwidern, dann jedoch blieb er stehen und lächelte, so freundlich er konnte, zurück.
»Lenz, Kripo Kassel, guten Tag«, begann er und zückte seinen Dienstausweis. »Ich komme gerade von Herrn Braun, der Sie bitten lässt, kurz nachzusehen, wer mit der Vertragssache Mälzer/ Iannone betraut ist.«
»Da muss ich gar nicht nachschauen, das weiß ich auswendig, weil ich gestern in dieser Sache einen Schriftsatz getippt habe. Herr Dr. Engelhardt ist der bearbeitende Anwalt. Wollen Sie ihn sprechen?«
Lenz riss charmant die Augen auf und versuchte eine Zehn auf der Grinsskala. »Wenn das möglich wäre, natürlich, gerne.«
»Im Haus ist er auf jeden Fall, ich frage mal, ob er Zeit für Sie hat. Sekunde, bitte.«
Damit sprang sie von ihrem Stuhl hoch, lief mit schnellen Schritten den Flur entlang, aus dem Lenz gekommen war, blieb vor einer Tür auf der rechten Seite stehen, klopfte vorsichtig und steckte den Kopf ins Zimmer. Kurze Zeit später tauchte sie wieder auf und kam zurück.
»Das geht. Wenn Sie bitte mitkommen wollen.«
23
Die Morgensonne stach Veronika Lappert ins Gesicht, als sie den Taxifahrer bezahlte. Sie öffnete die Tür, ging um den Wagen und half ihrem Mann
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