Eiszeit
Straße. Hain folgte ihm langsam.
»Was hat dich so erschreckt, als ich vorhin Mälzers Namen erwähnt habe?«, wollte der Hauptkommissar wissen, während er sich anschnallte.
Sein Kollege startete den Motor, legte den ersten Gang ein und fuhr los. »Ich hatte mal mit ihm zu tun, als Privatmann. Das muss vor etwa …«, er zählte mit den Fingern, »… acht Jahren gewesen sein. Ich war im zweiten Jahr bei der Polizei und hatte mir eine kleine Wohnung genommen. Das Haus gehörte Mälzer, er war der Vermieter. Seitdem weiß ich, dass mit dem Mann nicht zu spaßen ist.«
»Erzähl!«, forderte Lenz interessiert.
»Schon nach ein paar Monaten gab es Ärger. Ich glaube, es ging um die Treppenhausreinigung. Richtig schlimm wurde es aber, als die erste Nebenkostenabrechnung kam. Darin reihte sich ein Fehler an den nächsten, und deswegen hab ich das Ding nicht bezahlt. So nahm das Drama seinen Lauf.«
»Ja, und?«
»Wir haben uns ein paar Mal vor Gericht gesehen, also ich und seine Anwälte. Das Ende vom Lied war dann, dass ich zwar überhaupt nichts nachzahlen musste, es mich aber jede Menge Nerven gekostet hat, die Geschichte durchzustehen. Und wenn ich nicht Polizist gewesen wäre, hätte mich Mälzers Einschüchterungstaktik garantiert ziemlich beeindruckt.«
»Die da war?«
Hain rollte langsam auf eine rote Ampel zu und nahm den Gang heraus. Der morgendliche Berufsverkehr hatte seinen Höhepunkt erreicht.
»Sofort, nachdem ich die Abrechnung moniert hatte, kam ein Mahnbescheid. Das sieht schon mächtig wichtig und ziemlich bedrohlich aus für einen jungen Kerl, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Als das nicht gezogen hat, kamen Drohbriefe eines Inkassounternehmens. Zum Glück war der Vater meiner damaligen Freundin Rechtsanwalt, der hat mich immer wieder beraten und auch vor Gericht vertreten. Seitdem weiß ich, was es bedeutet, Mieter bei Jochen Mälzer zu sein.«
»Vielleicht warst du ja ein Einzelfall?«
»Ganz bestimmt«, spöttelte der junge Oberkommissar. »Schon damals, und das ist in der Internetsteinzeit gewesen, gab es Foren, in denen sich Mälzergeschädigte getroffen und ausgetauscht haben. Von wegen Einzelfall …«
»Du bist danach ausgezogen?«
»Schneller, als du gucken kannst. Nachdem die Sache vom Gericht entschieden worden war, hab ich gekündigt und kurze Zeit später meine Koffer gepackt. Das hing allerdings auch damit zusammen, dass mir der Rechtsbeistand abhandengekommen war.«
»Der Rechtsanwaltsvater?«
»Sie war weg, er war weg, also hielt ich es für besser, ebenfalls weg zu sein. Aber ich hätte sowieso nicht weiter dort wohnen wollen.«
»Danach hattest du keinen Kontakt mehr zu ihm?«
Hain wirkte verstört. »Natürlich nicht, wie kommst du denn auf die Frage? Ich war, wie gesagt, froh, dass ich es hinter mir hatte.«
»Freust du dich, ihn wiederzusehen ?«
»Das ist so lange her und ich habe das meiste davon ganz sicher verdrängt. Aber den Kerl an den Eiern zu fassen, würde mich bestimmt nicht unglücklich machen. Allerdings solltest du nicht erwarten, dass er uns mit einem schriftlichen Geständnis in der Hand empfangen wird. Der Mann ist durch und durch gerissen, ziemlich clever und dazu noch eine richtig coole Socke. Außerdem hat er, wie RW richtig bemerkt hat, beste Kontakte zu Politik und Justiz. Man munkelt, dass er und der OB ziemlich dicke Freunde seien.«
Er dachte einen Moment nach. »Und wen wir auf keinen Fall ausblenden dürfen, ist seine Frau. Die ist, das habe ich schon damals öfter gehört, die treibende Kraft im Hintergrund. Außerdem ist die gute Molina Mälzer an allen seinen Unternehmungen zur Hälfte beteiligt.«
»Das nenne ich echtes Teamwork. Hast du sie kennengelernt ?«
»Ach was, nein. Sie bleibt stets in der zweiten Reihe. Es gibt auch nicht besonders viele Bilder von ihr. Mir ist sie in Erinnerung geblieben wegen eines ziemlich perfiden Marketinggags, den sie sich vor ein paar Jahren hat einfallen lassen. Damals hatten die beiden gerade die Herzogsgalerie in der Innenstadt hochgezogen. Noch vor der Eröffnung wurde das Ding zur schönsten Einkaufsmeile in Europa gewählt. Die beiden sind mit viel Tamtam nach Sevilla geflogen und haben die Auszeichnung entgegengenommen. Später wurde bekannt, dass Molina Mälzer über eine von ihr in England gegründete Firma die Stifterin des Preises war.«
Er hielt schräg hinter einem alten Golf, der eben wegfahren wollte, und stellte sein kleines Mazda-Cabriolet ab.
»Wir sind da«,
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