Elben Drachen Schatten
auszuweichen. Der Bolzen löste sich von seiner Armbrust und schlug in die Decke.
Der Katzenkrieger schwang sein Rapier und stürzte sich auf Rhiagon, der zwar am Boden lag, aber blitzschnell wieder hochkam. Nur hatte er die Orientierung verloren, wusste nicht mehr, wo sein Schwert lag. Außerdem war er allein auf sein Gehör angewiesen. Ein spirituell sehr stark geschulter Schamane mochte in der Lage sein, sich in so einem Fall dermaßen stark in seinen Gegner hineinzuversetzen, dass er die Umgebung mit dessen Augen sah. Aber Rhiagon war nur Hauptmann der Einhandgarde. Ein Offizier im Elbenheer, dessen magisch-spirituelle Begabung für elbische Verhältnisse völlig durchschnittlich und auch nie einer besonderen Schulung unterzogen worden war.
Angesichts der noch immer grassierenden spirituellen Schwäche der elbischen Magiergilde und des Schamanenordens war es ohnehin fraglich, ob derzeit überhaupt irgendein Elb es vermocht hätte, mit den Augen seines Gegners zu sehen.
Mit einer Ausnahme vielleicht.
Andir.
Aber von dem wurde inzwischen angenommen, dass der Grad an Verklärung, den er erreicht hatte, aus ihm bereits eine Art Halb-Eldran gemacht hatte, dessen Interesse an der diesseitigen Welt erloschen war.
Doch Rhiagon hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Ihm blieb nur das Gehör, auf das er sich verlassen musste. In seiner Jugend hatte er mehrere Musikinstrumente erlernt und sich darin geübt, jene feine Klangunterschiede zu erzeugen, welche die Werke genialer elbischer Komponisten erst die besondere künstlerische Qualität verliehen, die zu erkennen das Gehör eines Rhagar nicht ausreichte. Vor allem die räumliche Verteilung des Klangs in den Tonbildern von Gesinderis dem Gehörlosen waren für jeden Interpreten eine besondere Herausforderung, und Rhiagon hatte sich jahrelang darin geschult, ehe er sich schließlich hatte eingestehen müssen, dass er musikalisch doch nicht so begabt war, wie er zunächst gedacht hatte.
Aber diese Übungen kamen ihm in diesem Moment zugute, zumal sich der Katzenkrieger zwar sehr geschmeidig, aber keineswegs geräuschlos bewegte.
Den ersten Hieb seines Gegners hörte der Elb herankommen und wich ihm aus, ebenso dem zweiten, doch dann streifte ihn die rasiermesserscharfe Klinge und riss ihm eine stark blutende Wunde an der Schulter. Eine Welle des Schmerzes durchzog seinen ganzen Körper, er stürzte, fiel aufs Bett – und konnte sich wieder orientieren.
Seine Hand schloss sich um den Griff seines Schwerts, das direkt neben ihm lag. Er drehte sich blitzschnell zur Seite, und die Klinge seines Gegners bohrte sich in das Lager, dort, wo er eben noch gelegen hatte.
Rhiagon sprang auf, riss sein Schwert herum und parierte damit den nächsten Schlag des Katzenkriegers, der ihm so nahe war, dass der dessen aasigen Atem riechen konnte, als dieser grimmig fauchte. Sofort riss der Hauptmann der Einhandgarde sein Schwert zurück und stieß im nächsten Moment zu.
Die mit ungeheuerer Wucht geführte Klinge fuhr dem Katzenkrieger schräg in das mit Reißzähnen bewehrte Maul, durchschlug den Schädelknochen, drang durchs Hirn und trat am Hinterkopf wieder aus.
Die gelben Augen des unheimlichen Wesens wurden starr. Ein im Tod gefrorener böser Blick, der Hauptmann Rhiagon allerdings erspart blieb.
Zur gleichen Zeit mussten sich König Keandir und seine Getreuen auf dem nach Süden ausgerichteten Hauptturm noch immer der Angriffe der Katzenkrieger und ihrer Flammengeister erwehren. Drei anderen Türme, die zur Wehranlage der Manufaktur gehörten, waren bereits von dem übernatürlichen Feind erobert worden; die Katzenkrieger dort hatten die Leichenteile der von den Feuerklingen zerstückelten Elbenkrieger in die Tiefe geworfen, um die wenigen Verteidiger, die im Innenhof noch überlebt hatten, weiter zu demoralisieren. Triumphieren standen die Katzengesichtigen an den Zinnen und schwangen ihre Waffen.
Im Hof und in einigen Gebäuden wurde hingegen noch gekämpft. Anders zumindest waren die grausigen Schreie nicht zu interpretieren, die von dort zu Keandir und den Seinen heraufdrangen.
Die Augen des Königs waren vollkommen schwarz, und sein Gesicht war zur grimmigen Maske eines rhagaräischen Berserkers verzerrt, obgleich diese ungehemmte blutige Raserei unter Elben normalerweise vollkommen unbekannt war. Die Klinge Schicksalsbezwingers glühte umso mehr auf, je öfter Keandir sie in die Feuerleiber der Flammengeister tauchte. Offenbar war es ihm möglich, deren Kräfte
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