Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
dass nicht deshalb
keine Spur mehr von ihm zu finden war, weil Shanouk ihn umgebracht hatte. Doch
das erwähnte sie nicht. An Larins angespannt zusammengekniffenem Mund erkannte
sie, dass er sich mit den gleichen Vorstellungen herumquälte.
Der Wald lichtete sich, und die Bäume standen
nun in größeren Abständen zu einzelnen Gruppen zusammen, aber der Nebel wurde
immer undurchdringlicher. Das Wasser hing nicht mehr in schimmernden Tropfen
auf den Blättern – es war zu kleinen spitzen Kristallen erstarrt. Die
Bäume wirkten wie mit Diamantsplittern übersät. Auf einmal spürte Maya etwas
Eisiges auf ihrer Haut. Sie schaute mit zusammengekniffenen Augen nach oben.
Wie kleine Nadelstiche spürte sie den rieselnden Schnee. Er fiel nicht in den
weichen fedrigen Flocken, die sie von zu Hause kannte, sondern in einzelnen
glitzernden Kristallen.
»Was ist das für ein komisches Zeug?«, brummte
Max missmutig. Er war erschöpft und hatte gewaltigen Hunger, das hätte ihm auch
unter besseren Umständen die Laune verdorben. Sie hatten sich nicht die Zeit
für eine Rast genommen.
Endlich verkündete Zacharias, dass nun die
unsichtbare Grenze erreicht war, die sie von dem Revier der Blutsauger trennte.
»Dort – seht ihr diesen gezackten Felsen?
Er markiert die Grenze. Die Schwarzen Reiter kennen ihn. Hier auf unserer Seite
pflegen sie ihr Lager aufzuschlagen. Meist ist es Abend, wenn sie die
Dracheneier bis hierher gebracht haben. Das Gebiet dahinter sollte in der
Dunkelheit nicht von Menschen betreten werden. Die Vampire sind dann auf der
Jagd.«
Maya schauderte. Was war, wenn Fiona mit Shanouk
die Grenze bereits überschritten hatte? Oder steckten sie doch noch hier
irgendwo? Inwieweit ließ sich Shanouk von den Vampiren beeinflussen? Konnte er
überhaupt noch selbst über sich bestimmen?
Bei den Felsen hing der Nebel wenigstens nicht
so dicht wie unter den Bäumen, und der steinerne Überhang schützte sie
einigermaßen vor dem stetig fallenden Schnee. Sie ließen müde die Rucksäcke
fallen und breiteten rasch die Decken auf dem eiskalten Boden unter dem großen
Felsbrocken aus.
»Hört ihr das?« Larin hatte sich unvermittelt
aufgerichtet und lauschte aufmerksam.
»Was denn?«, fragte Maya erschrocken.
»Schritte! Schnell und schon ganz nah.« Larin
wollte Maya sicherheitshalber in den Schutz eines der Felsen ziehen, als er es
sich anders überlegte.
»Stelláris!«, rief er vor Erleichterung lauter
als beabsichtigt. Aus dem Nebel hinter ihnen löste sich die Gestalt des Elfen.
Larin sprang auf ihn zu. »Gott sei Dank! Du lebst!« Die beiden Freunde fielen
sich um den Hals.
»Ja.« Stelláris atmete schwer. Er war wohl den
ganzen Weg in einem immens hohen Tempo gerannt. »Ich konnte sie nicht einholen.
Ich war schon froh, dass der Abstand nicht allzu groß wurde. Ich habe nicht
gewusst, dass dieser Vampir so schnell ist. Larin, ich muss weiter, gleich wird
sich die Nacht niedersenken, und dann suchen diese Kreaturen nach Blut.« Seine
Stimme war voller Hass und Verzweiflung. »Er scheint ihnen Fiona bringen zu
wollen.«
»Warte!«, sagte Zacharias. »Du willst doch nicht
etwa da hinüber? Du kannst nicht weiter, das wäre Selbstmord! Ab diesem Felsen
beginnt das Vampirgebiet!«
»Genau deshalb muss ich dort hin.«
»Bist du verrückt?«, entfuhr es Larin. »Eine
Horde Vampire rennt da drüben herum! Das überlebst du nicht!«
»Fiona ist dort!«
»Du nützt ihr ausgesaugt absolut gar
nichts.«
Stelláris und Larin standen sich wütend
gegenüber.
»Du kannst nicht sicher sein, dass sie wirklich
dort drüben ist!« Larins Augen blitzten. »Wir haben die Spur verloren.«
»Warum sollte dieser Vampir sie bis hierher
schleppen, um dann abzudrehen? Du kannst mich nicht hindern zu gehen!«
»Nein, das kann ich nicht«, fauchte Larin. »Aber
du kannst mich auch nicht hindern, mit dir zu kommen. Wenn du dich schon
umbringen willst, dann will ich wenigstens dabei sein.«
»Hört auf, Jungs!«, dröhnte Zacharias. »Wir
werden uns jetzt zusammensetzen und ganz kurz beraten. Zuallererst durchkämmen
wir gemeinsam diese Seite des Berges nach Fiona. Ich würde sagen, wir bilden zwei Suchtrupps.
Sollte sie wirklich nicht mehr hier sein, habt ihr später immer noch Zeit, euch
zerfetzen zu lassen. Aber ich glaube nicht, dass Shanouk das Mädel den Vampiren
überlassen will.«
Maya hatte den Wortwechsel mit zunehmender Panik
verfolgt. »Das klingt doch vernünftig«, bat sie und sah ängstlich
Weitere Kostenlose Bücher