Elementarteilchen kuessen besser
„ Schon !“ Plötzlich saß sie wieder senkrecht. „Ich muss mich mal wieder eincremen. Ich habe zwar schon Farbe bekommen, aber ich traue der karibischen Sonne nicht. Auf Sonnenbrand habe ich nämlich keine Lust.“ Sie begann, in ihrer Tasche zu kramen. Als sie die Flasche herauszog und schüttelte, merkte sie, dass fast nichts mehr drin war.
„Du kannst gerne von meiner Sonnenmilch haben“, bot ihr Anna an.
„Mmh“, überlegte Linda. „Du hast aber immer einen niedrigeren Lichtschutzfaktor, weil du schneller braun wirst als ich. Ich glaube ich hole lieber meine Ersatzflasche aus der Kabine.“
„Betty hat auch einen höheren“, gab Anna zu bedenken.
„Ja, aber die ist gerade unterwegs und ich riskiere keinen Streit, indem ich mich ausgiebig am ganzen Körper mit ihrer sündhaft teuren Sonnenmilch von Chanel oder was auch immer einschmiere. Ich gehe lieber in meine Kabine und hole meine eigene.“
Auf dem ganzen Hinweg dachte Linda an die letzte Nacht mit Philipp und spürte, wie sich Hunderte aufgeregt flatternder Schmetterlinge in ihrem Bauch einen Boxkampf lieferten. Sie fühlte sich leicht, sorglos und beschwingt. So musste es sich anfühlen, wenn man schrecklich verliebt war. Linda wusste nur nicht, ob ihre Gefühle wirklich Philipp galten oder sie für jeden Mann so empfinden würde, der sie derart geküsst hätte. War sie wirklich in Philipp verliebt oder einfach nur in das Gefühl, das er in ihr wachrief?
Erschwerend kam hinzu, dass ihr Philipp ihren ersten richtigen Kuss gegeben hatte. Die beiden missglückten Versuche viele Jahre zuvor galten für sie nicht. Sie hatte demzufolge keine Vergleichsmöglichkeiten und wusste nicht, ob sie bei einem anderen Mann nicht ebenso stark reagiert hätte. Sie traute ihren Gefühlen nicht, die so durcheinander geschüttelt waren wie die Zutaten eines Cocktails. Und sie wollte Philipp nichts vormachen, was gar nicht da war. Mmh ... eine vertrackte Situation.
Als Linda mit der Flasche Sonnenmilch in der Hand summend den Rückweg durch den langen Gang antrat, kam ihr Desirée in einem schicken kleinen Kostüm entgegen, das wie für sie maßgeschneidert zu sein schien. Der Stoff schmiegte sich eng um ihren schlanken Körper und der zugeknöpfte Blazer offenbarte im Ausschnitt den Ansatz ihrer kleinen, süßen Brüste. Ihre Hüfte wiegte sich aufgrund ihrer hohen Absätze bei jedem Schritt aufreizend von einer Seite zur anderen. Ihre Augen blitzten.
Auch wenn Linda Desirée nicht wirklich mochte, freute sie sich, sie zu sehen. Das hieß nämlich, dass die Besprechung schon beendet sein musste. Dementsprechend konnte sie ihre Freude nur schlecht verbergen. „Oh, hallo Desirée. Seid ihr schon fertig?“
Diese blieb stehen und zog eine Augenbraue hoch. „Ah, unsere Pechmarie! Heute schon gestolpert?“ Sie ließ ein glockenhelles Lachen ertönen, als sie über ihren eigenen Witz lachte. Linda wusste darauf nichts zu sagen. Was sollte man auf eine so dämliche Frage schon antworten? „War's noch schön gestern Abend? Ihr wart plötzlich verschwunden. Und da dachte ich mir, Philipp kümmert sich wohl hingebungsvoll um dich. Er hatte schon immer eine soziale Ader für Minderbemittelte. Nur schade für dich, dass diese Phase nie lange bei ihm anhält.“ Als sie sich zum Gehen wandte, drehte sie sich noch mal um und meinte gehässig: „Unsere Besprechung dauert übrigens noch eine ganze Weile. Du hast also noch genug Zeit, dir jemanden zu suchen, dem du auf die Nerven gehen kannst.“
„ Danke für deinen Ratschlag“, gab Linda überaus freundlich zurück, „aber ich habe ja schon dich gefunden. Die Genugtuung reicht mir für den ganzen Nachmittag.“
Mit diesen Worten ließ sie ihre Rivalin stehen. Linda war immer wieder über Desirées Biestigkeit verdutzt. Sie konnte mit dieser Feindseligkeit nichts anfangen und ließ sie an sich ablaufen wie Regenwasser von einer frisch geputzten Fensterscheibe. Ganz so wie früher in der Schule.
Als sie wieder bei Anna ankam, lag Betty schon leise schnarchend auf ihrer Liege. Die letzte Nacht musste wohl nicht nur für Linda ziemlich kräftezehrend gewesen sein.
„Wie bewerten Sie dieses Problem aus rechtlicher Sicht, Herr Graf?“ Philipps Chef blickte erwartungsvoll in seine Richtung.
Was sollte er wie bewerten? Philipp blinzelte verwirrt und wurde sich bewusst, dass er nicht mit seiner Nase bis zum Anschlag in Lindas Dekolleté steckte, sondern im Besprechungsraum des Schiffes mit seinen Kollegen saß und
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