Elenium-Triologie
Sperber.
»Ich bin ein einfacher Mensch, mein Freund – mit einfachen Freuden.«
Sie schritten geradewegs zur blaubehangenen Ratskammer, wo die Könige von Arzium, Deira und Thalesien auf throngleichen Sesseln neben Lycheas saßen. Hinter jedem König stand ein Mann in Paraderüstung. Die Wappen der drei anderen Kriegerorden zierten ihre offenen Umhänge. Abriel, Hochmeister der cyrinischen Ritter von Arzium stand mit strenger Miene hinter König Dregos; Darellon, Hochmeister der alzionischen Ritter von Deira, hinter dem greisen König Obler; und der grobknochige Komier, Führer der genidianischen Ritter, stand hinter König Wargun von Thalesien. Obwohl der Tag kaum begonnen hatte, war Warguns Blick bereits getrübt. Die Hand, mit der er einen Silberkelch hielt, zitterte merklich.
Die elenischen Ratgeber saßen an einer Seite der Kammer. Graf Lendas Gesicht wirkte besorgt, Baron Harparins dagegen geradezu selbstgefällig.
Primas Annias trug eine purpurne Soutane, und sein ausgemergeltes Gesicht verriet kalten Triumph, als Vanion eintrat. Als er die Begleitung des pandionischen Hochmeisters sah, blitzten seine Augen wütend. »Wer hat Euch erlaubt, dieses Gefolge mitzubringen, Hochmeister Vanion?« fragte er heftig. »In der Vorladung war keine Rede von Begleitung!«
»Ich brauche keine Genehmigung, Exzellenz«, erwiderte Vanion kalt. »Meine Stellung ist Legitimation genug.«
»Das stimmt«, warf Graf von Lenda ein. »Gesetz und Sitte sind Stützen der Stellung des Hochmeisters.«
Annias bedachte den alten Mann mit haßerfülltem Blick. »Wie beruhigend es ist, von jemandem beraten zu werden, der sich so gut mit den Gesetzen auskennt«, sagte er sarkastisch. Dann fiel sein Blick auf Sephrenia. »Entfernt diese styrische Hexe aus meinen Augen!« befahl er.
»Sie bleibt«, erklärte Vanion kalt.
Die Blicke der beiden Männer durchbohrten einander, bis Annias schließlich zuerst die Augen senkte. »Nun gut, Vanion. Die Angelegenheit, die ich Ihren Majestäten unterbreiten werde, ist so ernst, daß ich mich bemühen werde, meinen natürlichen Abscheu vor der Anwesenheit einer heidnischen Zauberin zu unterdrücken.«
»Ihr seid zu gütig«, murmelte Sephrenia.
»Macht schon weiter, Annias«, sagte König Dregos gereizt. »Wir sind zusammengekommen, um gewisse Regelwidrigkeiten bezüglich des elenischen Thrones zu untersuchen. Was ist dies für eine dringliche Sache, die Ihr für so wichtig haltet, unsere Untersuchung zu verzögern?«
Annias richtete sich hoch auf. »Eine Angelegenheit, die Euch direkt betrifft, Majestät. Vergangene Woche griff ein größerer Trupp Bewaffneter eine Burg im Osten Eures Reiches an.«
König Dregos Augen funkelten. »Weshalb wurde ich nicht benachrichtigt?«
»Verzeiht, Majestät. Ich selbst erfuhr erst kürzlich von diesem Vorfall und hielt es für angebracht, die Sache diesem Rat vorzutragen, statt Euch schon zuvor davon zu informieren. Diese Greueltat trug sich zwar innerhalb der Grenzen Eures Reiches zu, aber sie ist von größter Bedeutung für alle vier westlichen Reiche.«
»Kommt zur Sache, Annias«, knurrte König Wargun. »Spart Euch die Langatmigkeit für Eure Predigten.«
»Euer Wunsch ist mir Befehl, Majestät. Es gibt Zeugen dieses Verbrechens, und ich halte es für das beste, wenn ihr alles von ihnen erfahrt, statt aus zweiter Hand von mir.« Er drehte sich um und winkte einem der rotuniformierten Kirchensoldaten zu, die an beiden Längswänden der Kammer Wache standen. Der Soldat trat durch eine Seitentür und ließ einen nervösen Mann ein, der bei Vanions Anblick sichtlich erbleichte.
»Habt keine Angst, Tessera«, beruhigte ihn Annias. »Solange Ihr die Wahrheit erzählt, habt Ihr nichts zu befürchten.«
»Jawohl, Exzellenz«, murmelte der Mann.
»Das ist Tessera«, stellte Annias ihn vor, »ein Kaufmann dieser Stadt, der erst vor kurzem aus Arzium zurückkehrte. Berichtet, was Ihr dort erlebt habt, Tessera.«
»Nun, Exzellenz, es hat sich so zugetragen, wie ich es Euch bereits erzählte. Ich war geschäftlich in Sarrinium. Auf dem Rückweg überraschte mich ein Unwetter, und ich suchte Zuflucht in der Burg von Graf Radun, der so gütig war, mich aufzunehmen.« Tessera sprach in dem Singsang, dessen sich manche bedienen, wenn sie etwas Auswendiggelerntes aufsagen. »Jedenfalls«, so fuhr er fort, »wollte ich gleich wieder weiter, nachdem das Gewitter vorübergezogen war, und sattelte gerade in der Stallung des Grafen mein Pferd, als ich auf dem Hof
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