Elfen-Jagd
damit meinte sie Krach und nicht ihren wirklichen Gegner. Sie flitzte in den vermeintlichen Schutz des gefährlichen Baums.
Mit hämischem Schnalzen schlugen die Fangarme des Greifers zu. Fünf von ihnen erwischten ihre Beine und Arme und ihren Kopf. Das Mädchen wurde emporgehoben und auf die sabbernde hölzerne Öffnung am Fuß des Stammes zu gerissen. Sie stieß einen närrischen Schrei aus, wie das ihre Art in solchen Situationen stets zu tun pflegte.
Krach brauchte nur einen kurzen Augenblick, um die Lage einzuschätzen. Sein Denken mit dem Kopf war sehr langsam und selten effektiv, doch mit den Muskeln konnte er schnell und sicher denken. Ein kleiner Greifer stellte für ihn kein Problem dar, schließlich war er ja ein Oger. Doch dieser Greifer hier war sehr groß. Er hatte wohl über hundert pythonartige Tentakel und ein Persönlichkeitsprofil, das seiner gewaltigen Stärke voll entsprach. Es hatte keinen Zweck, mit ihm zu diskutieren – Krach mußte kämpfen.
Der Oger stürzte auf ihn zu. Das war nicht weiter schwierig, denn Greifer wollten ja, daß man in ihr Revier eindrang. Er packte die Tentakeln, die das entsetzte, strampelnde Mädchen umgriffen, und grunzte, während er das Knäuel von der saftlechzenden Öffnung fortriß.
Nun waren Greifer zwar wilde Gesellen, aber nicht unbedingt dumm. Dieser Baum war zwar voll ausgewachsen, doch das war der Oger auch. Nur wenige Wesen legten Wert darauf, einen Oger zu reizen. Der Baum zögerte, und seine Fangarme lockerten ihren Griff.
Doch dann kam er zu dem Schluß, daß er es mit diesem Gegner wohl aufnehmen könnte und dabei auch noch eine appetitliche Mahlzeit gewinnen würde. Mit seinen freigebliebenen Tentakeln griff er Krach an.
Genau das hatte Krach befürchtet, aber nun war es zu spät. Er nahm mit jeder Hand einen der Fangarme und riß daran – doch die Tentakel waren sehr elastisch und gaben mühelos nach. Was Krach fehlte, das war ein Hebelpunkt, mit dessen Hilfe er die Fangarme hätte abreißen können. Inzwischen wurde Tandy immer näher an die Baumöffnung geführt, während ihre zerfetzten roten Kleider flatterten.
Krach versuchte es mit einer neuen Taktik: Er drückte zu. Da bäumte sich der Baum in seinem pflanzlichen Schmerz auf, als seine beiden Fangarme zu Brei zerquetscht wurden, Saft versprühten und schließlich abfielen. Doch das Ding hatte Verluste mit einkalkuliert und konnte jederzeit neue Tentakel wachsen lassen. Tandy schwebte schon dicht über dem glitzernden Baummaul. Eine geschmeidige Faserzunge leckte bereits am roten Stoff ihrer Kleidung. Bis Krach sämtliche Tentakel abgequetscht hätte, wäre das Mädchen schon längst verdaut gewesen.
Krach stürzte sich mit geballten Fäusten auf die Öffnung und zerbrach die hölzernen Malmzähne. Saft spritzte hervor und versengte seinen Pelz, wo er auftraf. Der Baum röhrte wie ein gefällter Stamm, doch die Tentakel griffen unentwegt an.
Der Oger stellte sich vor der Öffnung auf und blockierte sie für das Mädchen. Bevor der Baum das bemerkt hatte, prallte Tandy mit Krach zusammen, und der Oger konnte einige weitere Tentakel abzwicken. Nun konnte der Greifer sie nicht vertilgen, bevor er Krach erledigt hatte – und der erwies sich als wesentlich zäher als erwartet. Tatsächlich war Krach selbst erstaunt über sein eigenes Standvermögen. Er hatte geglaubt, daß der Baum im Vorteil sei, doch dafür hatte er sich bisher recht gut gehalten.
Wenn ein Raubwesen seinen Gegner falsch einschätzte, so war das in Xanth immer eine ziemlich schlimme Sache. Der Baum steckte in Schwierigkeiten, mußte aber weiterkämpfen. Als neue Tentakel auf ihn zuschossen, packte Krach sie, bog sie um und knotete sie zu einem riesigen Knäuel zusammen, das er mit einem Ruck in den Schlund des Greifers stopfte. Der Schlund schloß sich instinktiv, ließ seinen Verdauungssaft hervorschießen – und der Baum erlebte eine äußerst unliebsame Überraschung.
Während der Greifer durch den Schmerz abgelenkt war, wickelte Krach das Mädchen frei, indem er jeden Fangarm so lange quetschte, bis er seinen Griff löste. Kurz darauf stand Tandy wieder auf eigenen Beinen, zerzaust zwar und erschüttert, im ganzen aber unversehrt. »He – geh!« sagte Krach und griff nach weiteren Tentakeln, um ihr den Fluchtweg freizumachen.
Das Mädchen flitzte los. Sie mochte zwar klein und unwissend sein, aber sie blieb nicht wie gelähmt sitzen, wenn es darauf ankam! Vorsichtig machte sich nun auch Krach an den Rückzug
Weitere Kostenlose Bücher