Elfenglanz
ihren Rippen. Sie arbeitete rasch und wünschte doch, sie könnte den Augenblick hinauszögern. Aber nein, diese Schwäche würde sonst Leben kosten.
»Ich bin fertig«, flüsterte sie nach schrecklich kurzer Zeit.
Er löste sich von ihr und betrachtete seine Schulter mit den vielen Verbänden, die innerhalb der nächsten Woche mit seiner Haut verwachsen würden. »Vielen Dank«, sagte er leise.
Laurel starrte beharrlich auf den Boden, während sie das Verbandszeug einsammelte und an seinen Platz brachte. Als sie zurückkam, hatte Tamani seinen Speer schon wieder in der Hand und stand vor David. »Bist du so weit?«
David zögerte nur einen ganz kleinen Moment, bevor er nickte.
»Wir müssen uns den Weg freikämpfen – Yeardley darf auf keinen Fall etwas passieren –, aber ich denke, wir sollten nicht versuchen, durch das Tor nach draußen zu gelangen. Stattdessen schlage ich vor, wir verschwinden von hier, wie du eben gekommen bist.« Tamani klang wieder konzentriert und kühl.
»Über die Brüstung?«, fragte David und zog eine Augenbraue hoch.
»Hast du eine bessere Idee?«, fragte Tamani mit leichter Ironie.
David dachte kurz nach und schüttelte den Kopf.
»Gut, gehen wir.«
»Wir lassen euch runter«, sagte Laurel, obwohl sie eigentlich total dagegen war, sie ziehen zu lassen.
David und Chelsea gingen schon zur Tür, doch Laurel blieb stehen, als sie Tamanis Finger auf ihrem Arm spürte. Er sah sie ernst an und strich ihr eine Strähne hinters Ohr.
Dann zögerte er nur den Bruchteil einer Sekunde, nahm ihr Gesicht in beide Hände und zog sie an sich. Er küsste sie nicht, sondern legte nur die Stirn an ihre und genoss noch einmal ihre Nähe.
Es fühlte sich schrecklich nach Abschied an.
Zu viert gingen sie aus dem Speisesaal in den trübe beleuchteten Flur. Mit jedem Schritt wurde das Brüllen der Schlacht lauter. Momentan hielten sich die Bewohner der Akademie die Orks vom Leib, doch wie lange konnten die Mauern dieser Übermacht noch standhalten? Und wie viele Schlachten konnte Tamani noch überleben? Irgendwann würden die zahlreichen Verletzungen zum Tod führen. Avalon war zwar grundsätzlich im Vorteil, aber die Orks gewannen allein durch ihre Anzahl.
Als sie wieder auf den Balkon hinaustraten, drehte sich Katya mit Panik in den Augen zu ihnen um. »Da seid ihr ja! Der Göttin sei Dank! Irgendwas stimmt hier nicht.«
»Was?«, fragte Tamani und beugte sich über das Geländer.
»Sie fallen um«, antwortete Katya mit Blick auf die wimmelnden Orks. »Ich habe es in der letzten Stunde schon mehrmals beobachtet, aber da dachte ich noch, sie hätten Verletzungen, die ich nicht erkennen könnte. Aber jetzt fallen sie gleich gruppenweise um. Fünf, sechs gleichzeitig, bis zu zehn auf einmal. Da, seht nur!« Sie zeigte in das Getümmel und Laurel, David und Chelsea schauten über die Brüstung.
Die Orks rammten den gefällten Baum weiterhin gegen das Eingangstor, dessen Holz unter dem Ansturm splitterte. Doch als sie zurückwichen, um erneut Anlauf zu nehmen, geriet der Stamm aus dem Gleichgewicht, weil mehrere Orks auf die Knie sanken.
»Dahinten auch«, sagte Katya und zeigte auf eine andere Gruppe rechts vom Balkon.
»Genau das ist doch auch mit dem Ork im Frühlingsviertel passiert«, sagte David. »Und am Seil, als ihr mich hochgezogen habt.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte Tamani. Während er noch sprach, sah Laurel, wie weitere Orks umfielen. Mittlerweile merkten auch die schlecht organisierten Ungeheuer, dass etwas nicht stimmte, und ließen kurz von der Eroberung der Akademie ab, um sich zu besprechen. Das Grüppchen auf dem Balkon beobachtete fasziniert, wie immer mehr Angreifer zusammenbrachen und sich Panik unter den Orks ausbreitete.
»Jetzt laufen sie weg«, staunte David. Er war ungeheuer erleichtert. Die überlebenden Orks ließen alles stehen und liegen. Sie rannten zu den Toren, doch für die Flucht war es zu spät. Es dauerte nicht lang, bis es vollkommen still war und alle Orks reglos auf dem zertrampelten, einst so schönen Gelände Avalons lagen.
Sechzehn
S ind sie … tot?«, fragte Chelsea, nachdem alle wie betäubt geschwiegen hatten.
»Der im Frühlingsviertel war tot, mausetot«, antwortete David.
»Und was bedeutet das?«, fragte Laurel. »Heißt das, es ist vorbei?«
»Was ist hier los?« Yeardley stürzte auf den Balkon. In einer Hand hielt er einen Stoffbeutel – seine Ausrüstung, wie Laurel rasch begriff. »Warum wird nicht mehr
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