Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Elfenkuss

Titel: Elfenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
Vom Netzwerk:
schließlich. Seine Stimme klang unnatürlich laut inmitten der leeren Metallbänke.
    Laurel schossen die Tränen in die Augen, aber sie hielt sie zurück. »Alles okay.«
    »Es ist nur so, dass du die ganze Woche so still warst.«
    »Entschuldigung.«
    »Habe … habe ich irgendwas falsch gemacht?«
    Laurel hob abrupt den Kopf. »Du? Nein, David. Du … du bist toll zu mir.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich hatte nur einen schlechten Tag, das ist alles. Nur noch dieses Wochenende, dann ist das vorbei. Montag geht es mir besser, versprochen.«
    David nickte und der Rest war wieder Schweigen, lastend und unangenehm. Dann räusperte David sich: »Soll ich dich nach Hause bringen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bleibe noch ein bisschen hier. Ich komme schon klar«, fügte sie hinzu.
    »Aber …« Er brach ab, nickte nur, stand auf und ging langsam weg. Dann drehte er sich noch einmal um. »Falls du etwas brauchst, hast du ja meine Telefonnummer, oder?«
    Laurel nickte. Sie hatte sie direkt nach ihrer Rückkehr auf die Familienpinnwand geschrieben und konnte sie mittlerweile auswendig.

    »Gut«, sagte er. Er verlagerte das Gewicht von rechts nach links. »Ich gehe jetzt.«
    Als er schon fast außer Sichtweite war, rief Laurel: »David?«
    Doch als er sich zu ihr umdrehte, so offen und aufrichtig, verließ sie der Mut. »Viel Spaß morgen«, sagte sie lahm.
    Er wirkte enttäuscht, nickte aber und ging weiter.
    An diesem Abend saß Laurel auf dem Toilettensitz im Badezimmer und starrte ihren Rücken an. Die Tränen strömten ihr über die Wangen, während sie wieder Salbe auf den Knubbel schmierte. Es hatte zwar noch nichts genutzt, und sie wusste, dass es logischerweise wieder nichts nutzen würde, aber irgendetwas musste sie tun.

Fünf
    A ls am Samstag die Sonne aufging, war es kühl, doch sie würde den leichten Nebel wahrscheinlich bis Mittag vertrieben haben. Laurel sah voraus, dass die Chancen hundert zu eins standen, dass jemand in den kalten Pazifik sprang, freiwillig oder auch nicht, und war doppelt froh, dass sie von vornherein abgesagt hatte. Sie blieb noch ein paar Minuten im Bett liegen und schaute dem Sonnenaufgang zu – schichtweise gingen Rosa und Orange in ein weiches diesiges Blau über. Die meisten Leute sahen sich hin und wieder einen Sonnenuntergang an, aber Laurel fand den Sonnenaufgang viel atemberaubender. Sie reckte und streckte sich und setzte sich im Bett auf, noch immer mit Blick aus dem Fenster. Sie stellte sich vor, wie hoch der Prozentsatz der Menschen war, die in ihrem Städtchen diesen unglaublichen Anblick verschliefen. Zum Beispiel ihr Vater. Dieser Langschläfer stand samstags – oder schlaftags, wie er es nannte – fast nie vor zwölf Uhr auf.
    Bei der Vorstellung musste sie lächeln, aber die Wirklichkeit drängte bald wieder in den Vordergrund. Sie ließ die Finger über ihre Schulter wandern und riss vor
Schreck die Augen weit auf. Sie musste einen Schrei unterdrücken, als die andere Hand zur ersten stieß, um deren Wahrnehmung zu überprüfen.
    Der Knubbel war weg.
    Doch etwas war da, etwas Langes, Kaltes – das viel größer war, als der Knubbel jemals gewesen war.
    Laurel fluchte, weil sie nicht zu den Mädchen gehörte, die einen Spiegel in ihrem Zimmer hatten, und verrenkte sich den Kopf. Doch sie konnte nur abgerundete Ecken von etwas Weißem sehen, worauf ihr die Sicht versperrt war. Sie warf die dünne Bettdecke ab und lief zur Tür. Dann drehte sie lautlos den Türknauf und öffnete die Tür einen winzigen Spalt breit. Sie hörte, wie ihr Vater schnarchte, doch ihre Mutter stand manchmal sehr früh auf und verhielt sich dann sehr leise. Laurel machte die Tür weit auf – zum ersten Mal war sie dankbar für geölte Scharniere – und schlich mit dem Rücken zur Wand durch den Flur zum Badezimmer. Als ob das was nützte.
    Mit zitternden Händen stieß sie die Badezimmertür auf und machte sich am Schloss zu schaffen. Sie konnte erst wieder richtig atmen, als endlich abgeschlossen war, und lehnte den Kopf an das raue unbearbeitete Holz der Tür, bis ihr Atem ruhiger ging. Mit den Fingern ertastete sie den Lichtschalter, holte tief Luft, blinzelte die schwarzen Punkte vor ihren Augen fort und ging zum Spiegel.
    Sie musste sich noch nicht mal umdrehen, um die neueste Entwicklung zu begutachten. Über beiden
Schultern waren lange blauweiße Teile zu sehen. Einen Augenblick lang starrte Laurel die blassen Dinger wie verzaubert an. Sie waren erschreckend schön,

Weitere Kostenlose Bücher