Elfenmeer: Roman (German Edition)
jedem Herzschlag, der verging, wurden es mehr. Ihre Hände krallten sich um das Holz der Reling am erhöhten Deck, und ihr Herzschlag war plötzlich deutlich in ihrer Brust spürbar. Um Unauffälligkeit bemüht, drehte sie den Kopf zur Seite und blickte über die Elfen und Kobolde, die den Menschen zu helfen versuchten, darunter auch die Kapitäne. Noch hatten sie nicht abgelegt, um sich zum Unterwasserpalast zu begeben, und es schien, als würden die Piraten diesen niemals erreichen. Sie sah hoch zu den Plattformen an den Masten, von wo die Piraten nach Feinden Ausschau hielten, doch der eine Elf blickte in die entgegengesetzte Richtung, ein anderer rief seinem Kameraden an Deck etwas zu, was scherzhaft klingen sollte, und ein Dritter kletterte gerade erst hinauf. Niemand hatte ihre nahende Rettung entdeckt, und mit jedem Augenblick, der verging, rückte der Untergang der Piraten näher.
»An die Waffen!« Der vom Wind verzerrte Schrei eines Elfen auf der Plattform erscholl, und sofort schreckten alle hoch. Liadan kniff die Augen zusammen und atmete tief durch. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Retter in all dem Durcheinander nach dem Kampf gegen die Handelsschiffe lange genug unbemerkt geblieben waren, um den Vorteil der Überraschung nutzen zu können. Vielleicht waren sie sogar von den entkommenen Rinielern oder dem Feuer auf die richtige Spur gebracht worden. Womöglich hatte auch der Halbelf Arn sie hergelockt. Vor seinem Aufbruch nach Riniel hatte er ihr zugeflüstert, dass Rettung nahte, und Liadan hegte keinen Zweifel daran, dass Arn die Piraten verraten würde. Im Moment spielte all dies aber keine Rolle, denn der Fürst von Riniel hatte seine Flotte ausgesandt, um sie zu befreien.
Angespannt blickte sie den Schiffen entgegen, die noch zu weit entfernt waren, um sie genau erkennen zu können. Bisher meinte Liadan zehn Schiffe auszumachen, doch das Sonnenlicht auf den Wellen mochte ihr Auge täuschen.
»Was hast du denen geschrieben, damit sie uns eine ganze Flotte entgegenschicken?«, erscholl plötzlich Naylas Stimme an Deck. Sie eilte genauso wie die anderen Kapitäne an Liadans Seite und blickte zu den näher kommenden Schiffen. »Du solltest ihnen doch unsere friedlichen Absichten schildern, ihnen versichern, dass der Königin nichts zustoßen wird! Wieso schicken sie uns dann so viele Schiffe, wie ich Finger habe?! Kannst du mir das mal erklären?« Sie stemmte die Hände in die Seiten und funkelte den Kobold an, der gerade eine bereitgestellte kleine Treppe hochging, um über die Reling zu blicken. Als Antwort zuckte er jedoch nur mit den Schultern.
»Die Ritter der Königin mögen trotz besänftigender Worte zu einem Befreiungsschlag aufgebrochen sein«, meldete sich der Feuerprinz zu Wort und strich seiner Geliebten über den Nacken. »Es ist nicht Flosses Schuld.«
»Pah.« Nayla riss sich vom Feuerprinzen los, und als der Kobold zu kichern begann, wandte sich der Korallenfürst seinen streitenden Kapitänen zu.
»Was stand in dem Schreiben?«, verlangte er zu wissen, woraufhin der Kobold grinsend zur königlichen Flotte blickte.
»Die besänftigenden Worte habe ich geschrieben, aber bei denen ist es nicht geblieben.« Ein Glucksen war zu hören, bei dem Nayla die Mordlust in den Augen stand. »Verstümmelungen mögen erwähnt sein, vielleicht ein abgetrenntes Bein? Nein, so weit bin ich nicht gegangen, aber ich war wohl in meiner Kunst gefangen. Ich wollte nur sichergehen, dass wir keine Verfolger sehen. So mag ich ein wenig gedroht haben, aber ihr wart auch sehr ungenau in euren Angaben.«
»Ungenau?!« Nayla machte einen Schritt auf den Kobold zu, doch der Feuerprinz schlang seinen Arm um ihre Taille und hielt sie fest. Das hinderte die Menschenfrau aber nicht daran, ihr Gekreische fortzusetzen: »Du wolltest doch, dass dies geschieht! Du wolltest den Kampf, wolltest es mit der gesamten königlichen Flotte aufnehmen, denn du kannst dich und dein ganzes verfluchtes Schiff ja unsichtbar machen! Du kannst einfach davonsegeln, wenn es brenzlig wird.«
Der Kobold drehte seinen Kopf in Naylas Richtung und hob die buschigen roten Augenbrauen. »Meine Erinnerung mag mich trüben, doch warst du auf Avrees Ewigkeit drüben, während ich ein Schiff aufbrachte und mit deinem Bruder dem Feind ins Gesicht lachte.«
»Du kleine Qualle! Ich werf dich über Bord! Ich …«
»Nayla, es lässt sich nicht mehr ändern«, redete der Feuerprinz beruhigend auf sie ein. »Die Worte sind geschrieben, und die
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